Sylvin H. Müller-Navarra, Sturmfluten in der Elbe und deren Vorhersage im Wandel der Zeiten
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Hfnb«, - d* EH* und te VW »wk weitere w~ertu*on*cb* Beitritte. Schnften der DWhG. fend 13, Siegbur,, 2009. ISBN 978-3-837<«347-3
heute sehr wenig geändert hat. Die Methoden
der Vorhersage haben sich mit den techni
schen Möglichkeiten, wie oben geschildert,
dramatisch verändert, nicht jedoch deren Weg
zu den Betroffenen, wenn man einmal vom
Internet (www.bsh.de) absieht.
Schon in den 1920er Jahren gab es z. B. War
nungen durch Fernsprecher:
„ Warnungen vor dem Eintreten höherer Was
serstande in Hamburg, Harburg-Wilhelms
burg, Neuenfelde, Altenwerder, etc. infolge
der Einwirkung des Windes auf die Wasser
oberfläche der Nordsee und Elbe wurden im
Berichtsjahre an etwa 15 durch Fernsprecher
erreichbare Behörden, Baustellen oder Pri
vatfirmen erlassen.“ (Anonymus, 1929). In
den folgenden Jahresberichten zeigt sich, wie
die Anzahl der Wamungsempfänger sukzessi
ve anstieg. Der Sturmflutwarnungsdienst
wurde „1925 auf die gesamte deutschen
Nordseeküste einschließlich der zugehörigen
Flußgebiete ausgedehnt“ (Anonymus, 1929).
Schon 1930 gab es bei den Bearbeitern im
Windstaudienst einen wöchentlichen Wechsel,
und bei unbeständigem Wetter wurde auch
abends eine weitere Vorhersage erstellt. Sogar
nachts war ein „Windstauer“ in seiner Woh
nung erreichbar (Anonymus, 1931).
Die Leiter des Sturmflutwamdienstes für die
Elbe und die gesamte deutsche Nordseeküste
haben diese Verantwortung immer recht lange
getragen. Deshalb nimmt deren Nennung für
die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nur
wenig Platz ein: Dr. Gerhard Tomczak, Dr.
Georg Koopmann, Ralph Annutsch, Wolfgang
Lange und ab 2005 der Verfasser.
Die Sturmflutvorhersage und -Warnung in
Deutschland erfolgt zentral durch das BSII
(Jensen und Müller-Navarra, 2008). Die Vor
hersagen werden den zuständigen Landes
dienststellen der Bundesländer zur Verfügung
gestellt, die aus diesen Informationen für ih
ren Zuständigkeitsbereich Regionalisierungen
v ornehmen und Maßnahmen zur Gefahrenab-
w ehr ableiten (Dibbem, 2008). Für Hamburg
rrtit seinen vielfältigen Sturmflutschutzanla
gen wurde 1976 der Hamburger Sturmflut-
Vv arndienst (WADI) eingerichtet (Antfang,
'983), der zusätzlich zu den Vorhersagen des
BSH ein empirisches Verfahren zur Vorher
sage der Sturmflutwasserstände in Hamburg
anwendet (Siefert und Christiansen, 1983).
Der WADI wird nur aktiv bei schweren
Sturmfluten, wenn ein Hochwasser von über
2,5 m über mittlerem Hochwasser zu erwarten
ist. Die der Öffentlichkeit zu übermittelnden
voraussichtlichen Sturmflutscheitelhöhen wer
den zwischen dem BSH und den Landesbe
hörden abgestimmt.
Ausblick
Natürlich ist auch die heutige Wasserstands
vorhersage noch nicht perfekt, insbesondere
mangelt es bei Sturmflutwetterlagen gelegent
lich noch an der Vorhersage einer genauen
zeitlichen Entwicklung des örtlichen Windfel
des in der Deutschen Bucht (Müller-Navarra,
2008).
Ein großes Problem der nahen Zukunft wird
sein, dass die Automatisierung der Vorhersa
gen, sowohl der meteorologischen als auch
der ozeanographischen, aus Kostengründen
mehr und mehr um sich greift. Automatisie
rung meint hier, dass letztlich auf den Beitrag
des Menschen, des Synoptikers und des
Ozeanographen, bei der Ausarbeitung der
Vorhersagen verzichtet werden soll. Das mag
bei einer Vielzahl der vorherzusagenden Wet
terelemente zu brauchbaren Resultaten führen
(Balzer, 2002), bei Sturmfluten wird das aber
wegen mangelhafter Datendichte über See
nicht funktionieren, wie oben bereits ausge
führt.
Ein anderes, noch weitgehend ungelöstes
Problem ist die Parametrisierung des Impuls
transfers Atmosphäre/Meer bei extremen
Sturm fluten. Während diese Parametrisierung
bei Windgeschwindigkeiten bis ca. 25 m/s als
durch Messergebnisse gut abgesichert gelten
kann (Smith und Banke, 1975), ist das jenseits
dieses Wertes nicht der Fall. Sowohl die Be
rechnung des Windprofil und damit des 10-m-
Windes in Atmosphärenmodellen als auch die
Berechnung des von der Windgeschwindig
keit abhängigen Windschubkoeffizienten in