2 Atmosphärenphysik
64
System Nordsee
der geometrisch verteilten Lebensdauer der Wetterlagen, die sich hier als Verweilzeit
des Systems im gleichen Zustand zeigt, wobei die Restverweilzeit unabhängig von
der in solchen Zuständen bereits verbrachten Wartezeit ist.
Die Parameter der Markovkette lassen sich aus der C-Matrix als auf die jeweilige Zei
lensumme bezogene relative Häufigkeiten berechnen, welche Maximum-Likelihood-
Schätzer für die 1-Schritt-Übergangswahrscheinlichkeiten darstellen. Die Zeilenvek
toren der resultierenden stochastischen P-Matrix (Tab. 2-11) sind demnach bedingte
Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die im Spaltenkopf angegebenen möglichen Sy
stemzustände zum Zeitpunkt t + 1, wenn sich das System gegenwärtig (t) im durch
den Zeilenkopf angezeigten Zustand befindet. P lässt sich so als stochastisches
Wetterlagenvorhersagemodell interpretieren. Unter der Voraussetzung zeitinvarianter
Übergangswahrscheinlichkeiten (zeithomogene MK) ergibt sich eine n-Tagesvorher-
sage als n-te Potenz von P, die Vorhersage für Übermorgen als P 2 = ( 2 Py) (Tab. 2-11).
Die Einträge 2 Py dieser Matrix geben die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass die Kette
vom heutigen Zustand Sj in 2 Schritten in den Zustand Sj übergeht. Jeder Eintrag 2 py ist
dabei die disjunkte Vereinigung der k = 6 Ereignisse bzw. möglichen Pfade zur Reali
sierung dieses Übergangs und durch das innere Produkt (X k p ik x p kj ) von Zeilenvektor
i und Spaltenvektor j der P-Matrix bestimmt.
Unabhängig vom Anfangszustand macht die hohe Erhaltungsneigung aller Wetter
lagen die Persistenzvorhersage Morgen-wie-Heute mit Eintrittswahrscheinlichkeiten
zwischen 39 (NENE) und 59% (AA) zur erfolgversprechendsten 1-Tagesvorhersage.
Für eine 2-Tagesvorhersage trifft dies für die Wetterlagen C, NE und NW (Anfangs
zustände), deren mittlere Lebensdauern bzw. Verweilzeiten unter 2 Tagen liegen (vgl.
Tab. 2-10, S. 56), nicht mehr zu (vgl. P 2 , Tab. 2-11). So ist die Wahrscheinlichkeit 2 NEA
(38%) dafür, dass auf NE Übermorgen A folgt, mehr als doppelt so hoch wie 2 NENE
(18%), die für 2 NWA höher als 2 NWNW und 2 CNW praktisch ebenso groß wie 2 CC
(25%). Insbesondere sind auch Zustandsänderungen zwischen den selten oder gar
nicht kommunizierenden Wetterlagen CoA, NEoSW, NWoSE, die von heute auf
morgen praktisch nicht realisiert werden, bis übermorgen immerhin indirekt möglich.
Sollen Selbstübergänge oder Stagnationsperioden (von im Mittel etwa 2 Tagen) au
ßer Betracht bleiben, genügt es die Übergangsmatrix der eingebetteten Markovkette
E (Tab. 2-11) zu analysieren (Stewart 2009), die aus C nach Nullsetzen der Diago
nalfelder und Anpassen der Randsummen auf ansonsten gleiche Weise konstruiert
wird wie P und mithin bedingte 1-Schritt-Übergangswahrscheinlichkeiten ohne War
tezeiten darstellt. Schließt man die eher sporadischen Wetterlagen SE und NE als
Anfangszustand aus, dann ergibt sich für jeden anderen Anfangszustand als wahr
scheinlichste Abfolge die periodische Sequenz A-42-SW-37-C-40-NW-50-A
(vgl. a. Abb. 2-8). Diese Übergangskette beschreibt die regionstypische Weiterentwick
lung, die durch ständig von Westen heran- (SW, Vorderseite) und durchziehende (NW,
Rückseite) Tiefdruckgebiete (C) und nachfolgend unterbrechenden Zwischenhochein
fluss (A) charakterisierbar ist. Grundsätzlich folgen den Nordlagen (NW & NE) am
häufigsten A-Lagen (50 & 57%), den Südlagen (SW & SE) am häufigsten C-Lagen
(37 & 31 %). Für die seltenen Ostlagen (SE & NE) sind zwar die Wahrscheinlichkeiten
auseinander hervorzugehen sehr hoch (SENE: 19%, NESE: 14%), am häufigsten fol
gen sie jedoch auf C (CNE: 17%) bzw. A (ASE: 21 %), nämlich 5- bzw. 9-mal, wie aus
der C-Matrix oder Abb. 2-8 ersichtlich ist.
Die zeithomogene Übergangsmatrix P ist quasipositiv (oder ergodisch), wenn es eine
natürliche Zahl n > 1 gibt, so dass alle Einträge von P n > 0 sind. Dies ist hier für alle