Die Küste, 76 (2009), 193-198
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werden diese auf absehbare Zeit auch keine operationeile Verwertung bei Sturmflutwar
nungen finden. Die Strategie einer nachgeschalteten Korrektur durch MOS (Model Output
Statistics) erscheint erfolgversprechender, da so auch Platz für eine unabhängige Beurteilung
der eingetretenen Pegelstände, Modellergebnisse und statistischen Verfahren durch den
menschlichen „Sturmflutvorhersager“ ist. Allerdings erfordert das vom Einzelnen auch de
taillierte Kenntnisse der zur Verfügung stehenden Verfahren.
Im Forschungsprojekt MUSE ist reichlich Gebrauch von Ensemble-Verfahren der nu
merischen Wettervorhersage (Ensemble Prediction System, EPS) gemacht worden (Jensen
et ah, 2006), dieses geschah aber ausschließlich zum Auffinden von extremen, noch nicht
eingetretenen Extremsturmfluten, was für die Nordsee und speziell die Deutsche Bucht er
folgreich war. Um zu einer 2- bis 5-tägigen probabilistischen Sturmflutvorhersage zu gelan
gen, könnten EPS-Simulationen zukünftig durchaus von Nutzen sein (de Vries, 2009). Ein
Vorteil solcher Verfahren ist darin zu sehen, dass damit vor Wochenenden und Feiertagen
Einsatzkräfte vorgewarnt werden können. Eine öffentliche Sturmflutvorhersage der Art
„Übermorgen besteht eine Sturmflutwahrscheinlichkeit von 20 %“ würde wohl nur für Ver
wirrung sorgen.
Nach allen neueren Erfahrungen ist es letztlich am effektivsten, die Atmosphären
modelle weiterzuentwickeln und deren Rechenzeit so weit zu reduzieren, dass nachgeschal
tete Wasserstandsmodelle zeitnah versorgt werden. Besondere Obacht ist auf die Analyse
modelle und auf die daraus resultierenden atmosphärischen Anfangsverteilungen zu legen,
wobei hier Fernerkundungsverfahren zum vertikalen Aufbau der Atmosphäre einen wei
teren Fortschritt bringen könnten. Von Seiten der Wasserstandsvorhersage wären in naher
Zukunft meteorologische Vorhersageläufe zu den Terminen 0, 3, 6, ..., 21 UTC wünschens
wert, da schon der Schritt von 12-stündlichen auf 6-stündliche Läufe nützlich war. Vorher
sagen für 7 Tage im Voraus ausgehend von den Hauptterminen 0 und 12 UTC sind ausrei
chend, die Läufe dazwischen sollten mindestens 24 h Vorhersagelänge haben.
Die Weiterverarbeitung von Resultaten aus einem EPS und die Nutzung neuer Ergeb
nisse aus deterministischen Atmosphärenmodellen im 3-Stunden-Rhythmus stellen für eine
nachgeschaltete Wasserstandsvorhersage einen gewaltigen informationstechnologischen
Aufwand dar. Dem ist nur durch konsequente Automation beizukommen. So bleibt dann
auch noch ausreichend Zeit für einen bei Sturmfluten unverzichtbaren Mensch-Maschine-
Mix.
4. Danksagung
An dieser Stelle muss all jenen gedankt werden, die tagaus, tagein - auch an Feierta
gen - die meteorologischen und ozeanologischen Messapparaturen in Gang halten und die
Datenflüsse sicherstellen, sowie denjenigen, die sich um den zuverlässigen Betrieb der nume
rischen Modellketten kümmern.
5. Schriftenverzeichnis
ÂNNUTSCH, R.: Über das empirisch-statistische Sturmflutvorhersageverfahren des Deutschen
Hydrographischen Instituts. Promet, 8, 12-15, 1978.
ANONYMUS: Gezeitentafeln 2010 Europäische Gewässer. BSH Hamburg, 246 S., 2009.
ANONYMUS: Seeaufgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I
S. 2876), zuletzt geändert durch Artikel 319 der Verordnung vom 31. Oktober 2006
(BGBl. I S. 2407).