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Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1929.
Die mittlere erreichte Höhe der 262 Höhenaufstiege betrug im Berichtsjahre
5300 m. Die niedrigsten Temperaturen wurden im Januar angetroffen. Als
Minimum wurde am 16. Januar in 5200 m Höhe —49.0° C gemessen.
Bringt man die Sonn- und Feiertage sowie jene Tage in Abzug, an denen
infolge von Beurlaubungen und dienstlichen Reisen nicht geflogen werden konnte,
dann standen im Berichtsjahre 287 Tage für Flüge zur Verfügung. Von diesen
wurden 281 Tage zu Flügen ausgenutzt, das sind 98 °/ 0 . Aus diesem hohen
Prozentsätze ausgeführter Flüge geht ohne weiteres hervor, daß die Maschine stets
startklar war, und daß auch Flugbehinderung durch Schlechtwetterlagen nur an
ganz verschwindend wenigen Tagen des Jahres eintrat. In flugtechnischer Hin
sicht ist ein erheblicher Fortschritt im Laufe des Aufstiegbetriebes zu ver
zeichnen gewesen, da niedrige geschlossene Wolkendecken und Nebellagen nicht
mehr in dem Maße wie früher flugbehindernd waren. Es kam einige Male vor, daß bei
einer geschlossenen Wolkendecke, die schon bei 100 m über Grund einsetzte, zum
Höhenflug gestartet wurde. Außerdem wurde auch in sieben Fällen bei Nebel
ein Höhenflug ausgeführt. Solche Nebelflüge werden angesetzt, wenn Aussicht
besteht, im Notfälle benachbarte Flughäfen (Bremen, Travemünde, Altona) an
fliegen zu können. Trotzdem häufig bei sehr schlechten Sichtverhältnissen und
niedriger Wolkendecke gestartet wurde, fand nie eine Außenlandung statt. Es
wurde nur je eine Zwischenlandung in Bremen und Altona vor genommen.
Während des Berichtsjahres fand auch kein Unfall mit dem Flugzeuge statt. Die
eingebauten Instrumente zur Führung der Maschine haben sich im Laufe des
Jahres sehr gut bewährt und leisteten hervorragende Dienste bei den häufigen
Wolkenflügen. Wie aus obiger Zahlentafel zu entnehmen ist, wurden von
262 Plöhenflügen 119 mal — also in 45 °/ 0 aller Plöhenaufstiege — eine oder
mehrere geschlossene Wolkenschichten durchstoßen. Die Dicke der einzelnen
durchflogenen Wolkenschichten schwankte zwischen einigen hundert bis über
4000 Metern.
Außer den angeführten täglichen meteorologischen Flügen wurden, wie aus
der Zahlentafel zu ersehen ist, auch noch 23 Sonderflüge unternommen, die sich
in verschiedene Höhenlagen erstreckten. Die Gesamtzahl der ausgeführten Flüge
beträgt 310, wobei die Probeflüge nicht in Rechnung gezogen sind. Der Zweck
der Sonderflüge war sehr verschieden. Bei einem derartigen Fluge wurden
Parallelbeobachtungen zu einem gleichzeitigen wissenschaftlichen Freiballon
aufstieg gemacht; bei einem anderen wurde die Verteilung der Kondensations
kerne in einer bestimmten Höhenschicht messend verfolgt und dabei sehr klare
Unterschiede zwischen Stadt- und Landgebiet gefunden. Ein Sonderflug wurde
angesetzt, um die zerstörende Wirkung einer in Elsdorf im Unterelbegebiet auf
getretenen Trombe im Luftbilde festzuhalten. Bei mehreren Sonderflügen wurde
die Eignung von Libellensextanten und eines Pendelsextanten zur astronomischen
Navigation vom Flugzeug aus praktisch erprobt, wobei zwei Herren aus
Schiffahrtskreisen die Möglichkeit geboten war, eine gewisse Fertigkeit in
der Handhabung dieser Instrumente im Flugzeuge zu gewinnen. Im Februar
und März fanden Eiserkundungsflüge über dem Unterlauf der Elbe statt, die
sich bis in die Nähe von Helgoland erstreckten. Dabei wurde ein wertvolles
Beobaehtungs- und Luftbildmaterial gewonnen, das auch bei verschiedenen Be
hörden und Instituten große Beachtung gefunden hat. Eine teilweise Veröffent
lichung des Materials befindet sich in den Annalen der Hydrographie und mari
timen Meteorologie; ebenso wurden auch bei Sonderflügen und bei regelmäßigen
Höhenaufstiegen zahlreiche Wolken- und Nebelbilder aufgenommen.
Größere Motorreparaturen waren im Jahre 1929 nicht nötig. Hingegen
war der Rumpf der Junkers A 20 infolge der dauernden Beanspruchung des
Flugzeuges im täglichen Höhenaufstiegsbetriebe seit dem Jahre 1927, wobei
fast immer rasche, teilweise sehr erhebliche Temperaturunterschiede zu über
winden waren, reparaturbedürftig geworden. Es waren Nietlockerungen fest
zustellen. Die A 20 wurde deshalb zwecks Grundüberholung nach der Junkers-
Werft in Leipzig am 17. März überführt und an ihrer Stelle wurde die vom
Reichsverkehrsministerium als Ersatz gestellte Junkers A 35 D 990 während der