Seilkopf, H.: Mittelräumige atmosphärische Strömungstypen,
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Mittelräumige atmosphärische Strömungstypen.
Von H. Seilkopf, Hamburg, Deutsche Seewarte,
Über das großräumige Stromfeld der Luft als Bestandteil der Wetterlage
sind wir auf Grund synoptischer Boden- und Höhenbeobachtungen im großen
unterrichtet. Ebenso liegen zahlreiche Untersuchungen über das Gefüge des
Windes an einem Punkte oder innerhalb kleiner Räume bis zu wenigen Metern
Ausdehnung nach den drei Raumkoordinaten vor, die uns bestimmte Vorstellungen
vom räumlichen und zeitlichen Verlauf der Strömung im kleinen und von Tur-
bulenzelementen vermittelt haben. Für den dazwischenliegenden mittelräumigen
Bereich besitzen wir Beobachtungen der Strömung um Hindernisse wie Hügel,
Berge, Inseln und Darstellungen des Strömungsverlaufes bei Kaltlufteinbrüchen
(W. Schmidt?)), W.Köppen®), P. Raethjen)%) und anderen Austauschwalzen
(P. Raethjen“*)). Sonst scheint es vielfach aussichtslos zu sein, aus bisherigen
Messungen und Beobachtungen die besonders für das Wetter im kleinen, für
die orographische Meteorologie, für das Kleinklima bedeutungsvolle mittelräumige
Strömung im einzelnen zu verfolgen. Man kann aber versuchen, Modelle der
mittelräumigen Strömung abzuleiten und auf diese Weise anschauliche typische
Bilder des Strömungsverlaufes der Luft im einzelnen zu gewinnen. Hier seien
zwei mittelräumige Strömungstypen erörtert: Die meteorologische Grenzschicht-
strömung und die Schraubenströmung.
1. Grenzschichtströmung.
In einer über die Erdoberfläche strömenden Luftmasse wird erst in erheb-
licher Höhe (etwa 500 bis 1000 m über Land) der Gradientwind erreicht. Von
dieser Höhe, der Reibungshöhe, an nehmen *
mit wachsender Annäherung an den Boden
Windgeschwindigkeit und Ablenkungswinkel
vom Gradienten ab. Innerhalb der Reibungs-
schicht liegen die Enden der Windvektoren
in verschiedenen Höhen über einem Punkte
auf einer logarithmischen Spirale, der
Ekmanschen Reibungsspirale. Oberhalb
von 1500 bis 2000 m Höhe nimmt die Wind-
geschwindigkeit im allgemeinen infolge der
Vergrößerung des Gradienten wieder zu.
Die Bremsung der Luftbewegung mit
abnehmender Höhe wird durch die Mittel-
werte auf Grund von Anemometeraufzeich-
nungen an Funktürmen belegt [Abb. 1]:
Eilvese, Gesamtmittel der warmen Jahreshälfte
(Bongards)®)
m/see 124 8 42 16 8 2 0
m 7.40 634 554 4.70 425 331 1.60
Nauen (Hellmann)®)
m 258 32 16 2.00
m/sec 9.25 5.40 4.69 3.33
m 1.00 0.50 0.25 0.05
m/sece 2,84% 2.44 2.01 1.30
In diesen Mittelwerten sind auch diejenigen Fälle enthalten, bei denen über
eine bodennahe nächtliche Kaltlufthaut die „Außenströmung“ hinweggleitet.
Nimmt man aus den Meßreihen von Eilvese und Nauen die Werte der Mittag-
stunden, in denen ein lebhafter thermischer Austausch und infolgedessen eine
starke Verzahnung der bodennahen Schicht mit der Außenströmung zu erwarten
:) W. Schmidt, Met. Z. 1911, S. 355. — ?) W.Köppen, A. H. 1914, 8. 303. — 3) P. Raethjen,
Met. Z. 1931, S. 11. — *) P. Raethjen, Erf. Ber. Dtsch. Flugw., 2. Sonderbd. 1932, S. 150. —
5) H. Bongards, A. H. 1921, S, 373. — °%) G. Hellmann, Sitz. Ber, Preuß. Ak, Wiss. XII,
April 1914 u, 1917, 8, 174.
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