Schumacher A.: Die Fahrten eines deutschen Seemanns aus der Segelschiffszeit,
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Die Fahrten eines deutschen Seemanns aus der Segelschiffszeit.
Von Arnold Schumacher, Hamburg, Deutsche Seewarte,
(Hierzu Tafeln 6 bis 8.)
Das Thema des nachfolgenden kleinen Beitrags mag in der Festgabe einer
geophysikalischen Zeitschrift zunächst befremden, und doch liegt die Beziehung
gerade zum Anlaß dieser Festschrift recht nahe: Wohl der größere Teil der
Lebensarbeit Wladimir Köppens ist auf dem Beobachtungsmaterial aufgebaut,
das die fahrenden freiwilligen Mitarbeiter der Deutschen Seewarte in unermüd-
licher Arbeit zusammengetragen haben, und hat wiederum dem Verkehr zur
See, der Lebensarbeit des Seemanns, gedient. Es schien deshalb reizvoll, einmal
den Lebensweg eines solchen „unbekannten Beobachters zur See“ anschaulich
zu machen.
Als Unterlagen für die beigegebenen Tafeln dienten die Reiseschilderungen
eines verstorbenen Verwandten, die noch zu dessen Lebzeiten vom Verfasser in
Stichworten aufgezeichnet worden waren!). Die Möglichkeit genauer karto-
graphischer Darstellung war dadurch gegeben, daß der Genannte während der
meisten seiner Reisen als Kapitän für die Deutsche Seewarte ein Tagebuch ge-
führt hat, und daß für die übrigen Fahrten auf Grund der Aufzeichnungen
über die angelaufenen Häfen und die Reisewege Tagebücher anderer Schiffe,
überwiegend aus der in Frage kommenden Zeit, zugrunde gelegt werden konnten.
Alle Reisen sind so, wie sie von Mittagsort zu Mittagsort eingetragen sind, ein-
mal von Segelschiffen ausgeführt worden. Die Teilstrecken in den europäischen
Nebenmeeren sind größtenteils fortgelassen, weil die Tagebücher dort nur in
ganz vereinzelten Fällen geführt worden sind. In den ostasiatischen Gewässern
sind auf Tafel 6 einige kleine Teilreisen nicht eingetragen, um die Darstellung
nicht noch mehr zu überladen.
Abgesehen von den bahnbrechenden Wind-undStrömungskarten M.F.Maurys?),
die aber als eine Art „kartographiertes Archiv“ für dichter befahrene Gebiete
notgedrungen auf jede Übersichtlichkeit verzichten müssen und in viele — nicht
ganz vollzählige — Teilblätter aufgelöst sind, gibt es m. W, keine Karten mit
genauen, tatsächlich abgefahrenen Seglerkursen in fast allen Teilen des Welt-
meeres., Eine solche Darstellung hat neben den bekannten Seglerisochronenkarten
1) Wilbelm Frerichs, geboren 1854 in Tettens in Butjadingen (Oldenburg), fuhr seit 1869 zur
See, von 18859 bis 1906 als Kapitän von Elsflether Segelschitfen, Aus seinen Tagebüchern finden sich
verschiedene Auszüge in den Annalen der Hydrographie (20, 1592, S, 217/18; 21, 1893, S. 364; 23,
1895, S. 155; 24, 1896, S. 441/44) und in den Segelhandbüchern für den Atlantischen (3. Aufl., 1910,
S, 175/76) und für den Stillen Ozean (1897, S. 230, 481, 556 u. 651). Beim Vergleich der nach
seinen eigenen Tagebüchern eingetragenen Kapitänsreisen mit den Seglerisochronenkarten von G. Schott
und von A. Paulus (vgl. die übernächste Fußnote) wird man beiläufig finden, daß die meisten zum
mindesten in guter Durechschnittszeit zurückgelegt worden sind, Eine gewisse Berühmtheit genoß im
Familien- und Bekanntenkreise die Heimreise “© hiladelpbia— Hamburg (Tafel 8, Reise 10), bei der
die Strecke vom Delaware bis Dungeness (nahe westlich von Dover) in 14 Tagen abgesegelt wurde.
Leider war -— wegen Fehlens weiterer Vordrucke — während dieser 10. Reise das Tagebuch für die
Deutsche Seewarte kurz nach Passieren des Kaps der Guten Hoffnung abgeschlossen worden, so daß
diese Überquerung des Nordatlantischen Ozeans (im Winter 1902/03) nicht in die Zusammenstellung
schnelleter Reisen bei A. Paulus aufgenommen worden ist. Die dort auf Seite 30 angegebene
kürzeste Reisedauer für die Strecke Philadelphia—Lizard beträgt 17 Tage; die Etmale dieses Tagebuchs
sind in Tafel 8 annähernd eingetragen. — Von 1907 bis kurz vor seinem 1925 erfolgten Tode war
Kapt. Frerichs Assistent am Meteorologischen Observatorium in Bremen. Als während des Krieges
W. Köppen für die Deutsche Seewarte auf der Großfunkstelle Eilvese, zwischen Bremen und Han-
nover, eine Höhenwindmeßstelle einrichtete (vgl, Ann. d. Hydr. 44, 1916, S. 537—42) und das Bremer
Observatorium um Beaufsichtigung derselben bat, fiel diese Aufgabe vornehmlich ihm zu, Nach dem
Kriege gehörte er dem Beirat der Deutschen Seewarte als steilvertretendes Mitglied an.
2) Wind and Current Charts for the North and South Atlantic, North and South Pacifie, and
Indian Oceans, Washington, etwa 1850—56.