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Full text: Zweites Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie

Scherhag, R.: Die Entstehung der Vb-Depressionen, 
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Unmittelbar vor dem Alpenmassiv ist der Luftdruck über dem Kältegebiet 
nicht erniedrigt, weil eben der Stau der Kaltluft den Hochdruckkeil mit erzeugt. 
Daher finden wir hier nicht die sonst zu beobachtende Erscheinung, daß der 
Luftdruck in der Höhe mit der Ankunft kalter Luft fällt. Denn dieser Druck- 
fall ist ja nichts anderes als ein Ausgleich und die Folge des eintretenden 
Kreisprozesses zwischen einem warmen und einem kalten Gebiet: In der Höhe 
strömt die Luft aus dem warmen ins kalte Gebiet, sobald aber dort der Druck 
am Boden ansteigt, beginnt bereits das Abströmen am Boden, das wegen des 
Reibungsflusses besonders stark begünstigt ist. Daher kann es in der 
freien Atmosphäre niemals zu einem Druckausgleich in der Höhe kommen, das 
Ausgleichsniveau muß immer zum Boden hin verschoben sein. 
Nur unter dem Einfluß der Orographie ist es möglich, daß der Druckeffekt 
beim Herantransport kalter Luft sich lediglich am Boden in einer Druckzunahme 
auswirkt und in der Höhe kein Druckfall erfolgt. Diesen Vorgang beobachten 
wir eben am Alpenrand, er trifft aber nicht mehr zu für den nun eingeleiteten 
Vorstoß der Kaltluft nach Osten, 
Dieser östliche Durchbruch der Kaltluft ist eine unmittelbare Folge des 
Alpenhochdruckkeils, auf dessen Nordabdachung der Kaltmasse eine erhebliche 
Beschleunigung nach Osten hin erteilt wird. So gelangt sie in die Österreichische 
Niederung; hier muß sich nun aber in der Höhe starker Druckfall ein- 
stellen, denn hier fehlt der Stauungsvorgang. Die angestaute Kaltiuft fließt 
gerade hier mit großer Gewalt aus dem Alpenhochdruckkeil ab und dringt nun 
zungenförmig gegen die osteuropäische Heißluft vor, 
Dadurch erfolgt jetzt eine Einschnürung der Warmluft, und an dieser Stelle 
wird der obere von Ost nach West gerichtete Druckgegensatz besonders ver- 
schärft. Es entwickelt sich eine ausgeprägte Frontalzone, in deren Delta dann 
die Zyklogenese erfolgt. 
Die Ausbildung eines Gebietes mit divergenter Höhenströmung wird also 
hier durch die Orographie des Geländes bewirkt. Was nach Rodewald!) über 
dem ebenen Raum das Dreimasseneck allein besorgt, dafür ist bei der Bildung 
der Vb-Depressionen das Alpenmassiv mit verantwortlich, 
Wir wollen nun zum Abschluß noch einen Fall der Entwicklung einer 
Vb-Depression untersuchen, der hinsichtlich seiner Plötzlichkeit und der Stärke 
des eingetretenen Druckfalls an erster Stelle steht, 
7. Die Entstehung des Ostseeorkans vom 30, Oktober 1933. 
Die Vb-Depression vom 30, Oktober 1933 gehört zu den besonders gefähr- 
lichen Fällen, da z. B. am Abend des 29, in der mittleren Ostsee nicht einmal 
Windstärke 5 überschritten, am nächsten Morgen aber von mehreren Stationen 
Windstärke 10 gemeldet wurde. Abb. 17 (Tafel 5) zeigt die „harmlose“ Druck- 
verteilung vom Abend des 29. Oktober 1933, wo wir nur ein verhältnismäßig 
schwaches Tief von 988 mb über der mittleren Oder erkennen, Daß daraus 
bis zum nächsten Morgen ein Tief beinahe von den Ausmaßen eines tropischen 
Wirbeisturms geworden ist mit einem Kerndruck von weniger als 970 mbar, 
zeigt Abb. 18, Daß es dem diensthabenden Kollegen auf der Seewarte gelungen 
ist, auf Grund der Abendkarte eine rechtzeitige Sturmwarnung für die Ostsee 
herauszugeben, kann nicht genug anerkannt werden, denn auch die Druckände- 
rungen waren zu jener Zeit noch lange nicht überwältigend, 
Wie mir Herr Dr. Wittenbecher versicherte, war für ihn das gefährliche 
Charakteristikum der außerordentliche Temperaturgegensatz auf der 
Südseite dieser Depression, So meldeten Wien am Mittag + 17° und Budapest 
sogar + 20°, während wenige hundert Kilometer hinter der Kaltfront teilweise 
der Gefrierpunkt erreicht wurde, und die Isothermenkarte zeigte zu jener Zeit 
{Abb. 11) die typische außerordentliche Zusammendrängung am Nordostende 
der Alpen und die dort beginnende Divergenz bis zum Gebiet der mittleren 
Östsee, 
3 <) M. Rodewald, Die Entstehungsbedingungen der tropischen Orkane. Meteorol, Zeitschr. 
1836, 8. 197.
	        
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