Kuhlbrodt, E.: Vergleich geschätzter Windstärken mit gemessenen Windgeschwindigkeiten usw. 19
der Unterschied aus der Fahrt relativ zum herrschenden Wind nicht erklärt
werden kann, sondern eher wieder _in der Weise, daß im Verhältnis zu dem
vorher befahrenen windschwachen Aquatorialgebiet der frische Passat anfangs
in seiner Stärke zu hoch, im Laufe der Zeit aber (von Prf. XII über XIII
nach XIV) durch die Gewöhnung an die Passatstärken geringer geschätzt wird.
Es scheint sich hiernach deutlich zu ergeben, daß bei der Schätzung der
Windstärke auf See ein gewisser „Trägheitsfaktor“ der Beobachter die
wichtigste Rolle spielt insofern, als bei Konstanz der Windverhältnisse die
Gewöhnung mit der Zeit die Windstärken zu gering schätzen läßt, und daß
ferner Änderungen der Windstärke bei der Schätzung übertrieben zum
Ausdruck kommen. Solche Schätzungsfehler sind auch plausibel.
Abb. f und g, Tafel 1 stellt die mittleren Kurven der einzelnen Meeresgebiete
zusammen. Abb. f zeigt, daß die Windstärke im zuletzt befahrenen Nordost-
passat im Bereich 2 bis 6 Bft um 0.3 bis 0.4 Bft höher geschätzt wird als im
Südostpassat, und in diesem wieder höher als im Aquatorialgebiet. Die mittlere
Windgeschwindigkeit war im Nordostpassat größer als im Südostpassat und am
geringsten im äquatornahen Gebiet; d. h. die Schätzungen sind abhängig von
der Größe der Geschwindigkeit eines Windsystems an sich und übertreiben deren
Änderung. Auch Abb. g weist (unter Beachtung der Zahl der Vergleichsfälle) für
die außertropischen Breiten in die gleiche Richtung.
Texiabbildung 1 stellt die für Prf. I bis VI gemittelte Kurve zusammen mit
derjenigen von Prf. VII bis XIV dar. Die Verschiedenheit der Registrierung
schrieb uns diese Trennung vor. Prf. VI wurde im Südostpassat gefahren; die
Mittelkurve für Prf. I bis V ist aber praktisch dieselbe wie für Prf.I bis VI.
Deshalb können wir sagen: Abb. 1 stellt zusammen die Mittelkurve für die
höheren südlichen Breiten (28° S bis 60° S) und die der niedrigen Breiten
(28° N bis 24°S). Es ergibt sich ein deutlicher Unterschied zwischen beiden: in
den außertropischen Breiten — mit wechselnder, aber verhältnismäßig starker
Windgeschwindigkeit, häufig durchsetzt von Stürmen — wurde im gut belegten
Bereich Bft 8 bis 6 um etwa 0.7 Bft niedriger geschätzt als in den tropischen
Breiten, vor allem den Passatgebieten mit geringerer Windgeschwindigkeit und
besonders gleichmäßiger Luftströmung. Eine Erklärung dieses Unterschiedes
kann nach dem oben Gesagten darin liegen, daß die Schätzung eine Funktion
der mittleren Windstärke eines Klimabezirks ist, d.h. für verschiedene Wind-
gebiete der Erde nicht übereinstimmend; also in der Richtung, daß in wind-
starken Gebieten allgemein etwas geringer geschätzt wird als in windschwächeren
(Faktor der „Gewöhnung“).
5. Vergleich der Reihen vom Meteor mit den früher gefundenen,
In Abb, 1 werden unsere beiden Meteor-Kurven verglichen mit denjenigen
von W. Köppen‘!) und G. C. Simpson?®), wie sie nach Vergleichen an deutschen
bzw. englischen Küstenorten (also an Land) gefunden wurden; ferner verglichen
mit der Kurve nach der internationalen Vereinbarung 1926. Die Äquivalente
von Köppen gelten für „Bodenwind“, d.h. für 2 m Höhe über dem hindernis-
freien Niveau, die Äquivalente von Simpson (wie Köppen 1926 betonte) für
10 m Höhe und die nach der internationalen Übereinkunft 1926 für 6 m Höhe
über der (niedrigsten) hindernisfreien Ebene.
Die Meteor-Kurve für die niederen Breiten (Prf. VII bis XIV) fällt mit der
von Simpson, die hauptsächlich durch Vergleiche an der atlantischen Küste
(Seilly-Inseln) erhalten wurden, sehr nahe zusammen, Es zeigt sich weiter
allgemein, daß nach unseren Vergleichen von hoher See die äquivalenten
Windgeschwindigkeiten für die Bft-Skala höher sind als die international
vereinbarten.
In Abb. 2 sind nach Tab. 3 allein gegenübergestellt die bisher vorliegenden
Vergleichsreihen von hoher See. Es ergibt sich übereinstimmend, daß in allen
') W. Köppen, Ann. d, Hydr. 1926, 8. 362/66, — ?) G. C. Simpson, The velocity equivalents
of the Beaufort scale. Met. Off. Profese. Notes No, 44, London 1926. Es wurden in Tab. 3 und
Abb. 1 die von Köppen 1926 verbesserten Werte genommen,