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| Gesamtdeutsche Entwicklung seit 1990
5.4 Das nautische Informationssystem
Seekarten und Seebücher bilden ein aufeinander
abgestimmtes System mit unterschiedlichen
Präsentationsformen und unterschiedlichen in-
haltlichen Schwerpunkten: Während Seekarten
thematisch bearbeitete topographische und admi-
ıistrative Informationen mit einem Raumbezug über
geographische Koordinaten mit kartographischen
Signaturen darstellen, konzentrieren sich Seebücher
auf die Vermittlung textorientierter Informationen, für
deren Darstellung eine kartographische Darstellung
Jngeeignet ist. Komplettiert wird das System durch
einen Berichtigungsdienst, der den Nutzer in einem
festen Rhythmus die Veränderungen der Inhalte von
Seekarten und Seebüchern in einer Form übermit-
telt, die die Aktualisierung dieser Medien erlaubt,
Ind einen Warndienst, der über geeignete Infor-
mationskanäle wie Seefunk und Radioausstrahlung
sehr kurzfristig dringliche, für die Schifffahrt sicher-
heitsrelevante Informationen übermitteln kann. Für
dieses aus den genannten vier Elementen gebildete
<onstrukt hat sich im deutschsprachigen Raum
der Begriff „Nautisches Informationssystem“ durch-
gesetzt. Die Herausforderung des etwa zeitgleich
mit der politischen Wende anbrechenden digitalen
Zeitalters war es, dieses System sowohl in seinen
Herstellungsverfahren als auch den entsprechen-
den Produkten in diese neue Welt der Informations-
oearbeitung, -präsentation und -verwertung Zu
Aberführen.
Die geographische Überdeckung des deutschen
Seekartenwerkes, das übrigens 1944 seine größte
Ausdehnung mit 1050 Karten erreicht hatte, unter-
‚legt seit Jahrzehnten einem beständigen Verklei-
ı1erungsprozess. Der Bedarf an deutschsprachiger
Karten in der Berufsschifffahrt hat sich geändert —
Iberregional operierende Reedereien mit interna-
tjonalen Besatzungen rüsten heute überwiegend mit
englischsprachigen Kartenwerken aus. Mitte der
9)0er-Jahre wurden deshalb bereits die Karten des
vernen Ostens und Südamerikas aufgegeben;
Nordafrika, das Rote und das Schwarze Meer
folgten nach der Jahrtausendwende, und seit der
Einstellung der Seekarten für das Mittelmeer Ende
2009 beschränkt sich die aktuelle Überdeckung
auf das Seegebiet der sogenannten Kleinen Fahrt
vom Englischen Kanal in die Nordsee und die
Ostsee, Das BSH folgt damit dem Trend aller inter-
ıationalen Kartenwerke — außer dem der Britischen
Admiralität - sich zugunsten der Aktualität und
Vielfalt ihrer nautischen Veröffentlichungen stärker
auf die heimischen Gewässer und die daran direkt
angrenzenden Seegebiete zu konzentrieren.
Der nachlassende Bedarf für ein deutschsprachi-
ges nautisches Informationssystem wird durch die
z=inführung der elektronischen Navigation mithilfe
digitaler Seekartendaten noch beschleunigt, die
mittelfristig die gedruckte Seekarte in der Berufs-
schifffahrt vollständig ablösen. wird. Entfallen auf
diese Weise mehr und mehr Papierseekarten
ausländischer Seegebiete, wächst andererseits das
Arbeitspensum in der Kartographie entlang der hei-
mischen Küste: Die aufgrund neuer Messverfahren
mmer detaillierteren Informationen aus der Seever-
messung, Wracksuche und eingehenden externen
Quellen bedürfen für eine zügige Bearbeitung
sines erheblichen technischen und personellen
Aufwandes. Gleichzeitig haben sich die Kundener-
wartungen hinsichtlich der Aktualität der Veröffentli-
chungen enorm erhöht. Und schließlich sind neue
Bedarfe für kundengerecht aufbereitete digitale
Datenprodukte, wie z.B. den Offshore-Bereich, die
Raumordnung im Meer, den Küsten- und Meeres-
Jmweltschutz entstanden, die es zu bedienen gilt.
Derzeit werden noch rund 300 amtliche Seekarter
für deutsche und europäische Gewässer und
29 Seebücher vom BSH herausgegeben. Für die
3twa 240 Seekarten ausländischer Gewässer erhält
das BSH diese Informationen direkt von den ande-
‘en hydrographischen Diensten. Die wöchentlich
dereits im 142. Jahrgang erscheinenden „Nach-
richten für Seefahrer“ (NfS) sorgen dafür, dass die