Historische Wurzeln | 2
3.4 Von Segelanweisungen und Seehandbüchern
Für den Seemann an Bord wäre es im Rahmen sei-
ner navigatorischen Aufgaben von großem Vorteil,
wenn er alle für eine sichere Schiffsführung wichti-
gen nautisch-hydrographischen Gegebenheiten aus
den Seekarten ersehen könnte. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit muss aber selbst in einer mehrfar-
bigen, großmaßstäbigen Karte der Umfang an In-
‘“ormationen begrenzt werden; zudem entzieht sich
vieles für den Seemann Wissenswerte einer zeich-
nerischen Darstellung. Die das Fassungsvermöger
der Seekarte sprengenden, von dem Nautiker aber
benötigten Angaben sind aus diesem Grund in den
Seebüchern enthalten.
Während die frühen Seekarten bis in das 18. Jahr-
hundert hinein lediglich Ergänzungen der geschrie-
benen Segelanweisungen darstellten, bilden die
neueren Karten zusammen mit den Seebüchern
ein geschlossenes Informationssystem, das durch
einen speziellen Nachrichtendienst laufend auf
aktuellem Stand gehalten wird. Das amtliche Nach-
richtenwesen und die Seebücher bezeichnet man
zusammengenommen als „Nautische Veröffentli-
chungen“. Gemeinsam mit den Seekarten bilden sie
das nautische Informationssystem
Das Seehandbuchwerk
Die Seehandbücher sind diejenigen nautisch-hydro-
graphischen Veröffentlichungen, deren historische
Entwicklung am weitesten zurückreicht. Ihre frühen
Vorläufer sind die aus dem Mittelmeerraum stam-
menden Seewegbeschreibungen für die küsten-
nahe Schifffahrt - die sogenannten Portolane. Bereits
für das 4. vorchristliche Jahrhundert lassen sich
derartige tradierte Anweisungen belegen. Die
Grundlage bildeten die Beobachtungsgabe und ein
seit Generationen gewachsener Erfahrungsschatz
der Seeleute. Wasserverfärbungen als Warnung
vor Untiefen, markante Küstenpunkte und Distanz-
angaben nach Tagesreisen waren die wichtigsten
Orientierungshilfen. Später machten das Lot zur
Ermittlung der Wassertiefe und der Magnetkom-
pass für die Richtungsfindung genauere Angaben
möglich. Die frühesten gedruckten Segelanweisun-
gen für die deutsche Küste findet man im „Nieder-
deutschen Seebuch“ aus dem 15. Jahrhundert; in
diesem Werk wurden der Küstenverlauf, die Häfen,
Entfernungen, Wassertiefen, Kurse, Landmarken
usw. ausführlich beschrieben. Diese alten Segelar
weisungen waren von zentraler Bedeutung für die
Schiffsführung, da den damaligen Seekarten eine
genau vermessene Küstenlinie noch fehlte und die
vorgelagerten Seegebiete nicht wirklichkeitsnah
wiedergegeben wurden. Das änderte sich erst, als
mit der Entwicklung von Präzisionsinstrumenten und
sxakten Vermessungsverfahren in der Mitte des
18. Jahrhunderts die Zeit der auf mathematischer
Grundlage bearbeiteten Karten begann.
Die vor der Mitte des 19. Jahrhunderts noch auf
private Initiative herausgegebenen Segelanwei-
sungen enthielten noch zusammengefasst alles,
was in den Seekarten nicht darzustellen war. Trotz
der wachsenden Bedeutung der Seekarten als
Informationsträger für die Navigation behaupten
Seehandbücher für textorientiert darzustellende
Themen bis heute ihren Platz. Sie erläutern die lo-
kalen Klima-, Gezeiten- und Strömungsverhältnisse
geben Hinweise für die Wahl der Schiffswege und
beschreiben die Küsten, Ankerplätze und Häfen mit
hren navigatorischen Besonderheiten und — dies
gilt vor allem für die jüngere Zeit - zu beachtenden
Schifffahrtsvorschriften. Ferner findet man Ratschlä-
ge für die Ansteuerung, die die speziellen Schwie-
rigkeiten und Eigentümlichkeiten der verschiedenen
Gewässer und Reviere berücksichtigen. Abbil-
dungen auffälliger Landmarken und ausgesuchter
Küstenstrecken zur Erleichterung der terrestrischen
Navigation unterstützen die praktische Anwendung
Die Bedeutung des Seehandbuches liegt insbe-
sondere in der ihm für die Reiseplanung zu entneh-
menden Vorausinformation — vor allem dann, wenn
das zu befahrende Gebiet dem Kapitän aus eigener