Ann, d. Hydr, usw., LXX. Jahrg. (1942), Heft IH.
Alternierende Gezeitenströme und Tiefenverteilung in einem Kanal.
Von Walter Hansen, Marineobservatorium.
Bei der Durchmusterung der Gezeitenstromangaben in den Gezeitenstrom-
atlanten fällt auf, daB in z.T. ausgedehnten Gebieten alternierende Gezeiten-
ströme auftreten. Diese Erscheinung wird in erster Linie vor langgestreckten
Küsten, in Flußmündungen und schmalen Kanälen auftreten; sie wird aber auch
in zweidimensional ausgedehnten Gebieten, wie z. B. in der Deutschen Bucht und
im Kanal, beobachtet,
Diese Beobachtungstatsachen geben Anlaß zu einer Reihe von theoretischen
Fragen, die zu beantworten besonders im Hinblick auf die praktische Nutz-
anwendung von Wichtigkeit ist.
Wenn sich diese Untersuchungen auch nur auf eindimensionale Bewegungen,
d. h. in diesem Fall auf alternierende Gezeitenströäme beschränken, so geben die
genannten Untersuchungen doch mannigfache Hinweise zur Lösung des grund-
legenden Problems, das darin besteht, aus den vorgegebenen Randbedingungen
für ein beliebig gestaltetes Meer die Gezeiten unter allgemeinen Voraussetzungen
zu ermitteln.
In der vorliegenden Arbeit soll ein derartiges eindimensionales Problem
untersucht werden; es ist geplant in einer Anzahl weiterer, kurzer Arbeiten
entsprechende, ebenfalls bisher unbeachtet gebliebene Aufgaben zu behandeln.
Im allgemeinen zweidimensionalen Fall kann gezeigt werden, daß die Lösung
des Gezeitenproblems durch die Vorgabe der Randwerte im allgemeinen ein-
deutig bestimmt ist, d.h, wenn zwei Lösungen auf dem Rand übereinstimmen,
dann sind sie im ganzen Bereich identisch. Diese Tatsache legt die Vermutung
nahe, daß bei weiteren zusätzlichen Bedingungen — z, B. alternierende Gezeiten-
ströme — die Allgemeinheit der Lösungsfunktionen eingeschränkt wird; außer-
dem wird sich später zeigen, daß nicht nur die Lösungen, sondern auch die
Tiefenverteilung, die im allgemeinen Fall als vorgegeben angesehen wird, sehr
starken Einschränkungen unterworfen ist,
Den Ausgangspunkt für die Untersuchungen bilden die hydrodynamischen
Gleichungen; diese lauten:
— av = 0,
Een & + (hu), + (by), = 0.
Hier bedeuten u, v die Geschwindigkeitskomponenten, & die Abweichung vom
mittleren Wasserstand, h die Tiefe, g die Erdbeschleunigung, « = 2wsing die ab-
lenkende Kraft der Erdrotation, t die Zeit und x, y rechtwinklige Ortskoordinaten.
Außere Kräfte sind in den Gleichungen nicht berücksichtigt, die Untersuchungen
beziehen sich deshalb auf den Fall der Mitschwingungsgezeiten. Weiterhin wird
die übliche Voraussetzung gemacht, daß u, v und & in folgender Weise von der
Zeit t abhängen:
u=u1u,cosogt-+uwsingt,
vy=v7,Cosgt+ v,sinot,
= Ö,cosot-+ CC sinot.
Werden die Werte in die obigen Gleichungen eingesetzt und wird gleichzeitig
nach u,, u, v, und v, aufgelöst, so folgt:
a, = a (Ola + 0Uıy),
Y = (a 1x 0 l2w
;_—8
= (0x Ada)
sag 06)
Es sei jetzt ein geradliniger Kanal G, dessen Längsrichtung mit der x-Achse
zusammenfällt, vorgegeben. Die Tiefenverteilung im Kanal sei zunächst keinerlei
Ann. d. Hydr. usw. 1942. Helft III.