Prüfer, G.: Die Eisverhältnisse in d. deutschen u. d. ihnen benachbarten Ost- u, Nordseegebieten, 35
Vereisung in den betrachteten Gewässern Nach solchen Mittelwerten überhaupt
darzustellen,
Aus diesen Erwägungen heraus wurden die Winter in vier Typen aufgeteilt
und für jeden die zugehörigen Mittelwerte errechnet. Diese vier Typen wurden
benannt: sehr strenge, strenge, mäßige und milde Winter. Die drei letzten Typen
wurden unmittelbar definiert, auf welche Weise, sei weiter unten erörtert. Der
erste, sehr strenge, Typus entstand folgendermaßen: Bei der Berechnung der
Mittelwerte jedes Typus wurde gleichzeitig der zu ihm gehörige Wert der mitt-
leren Streuung errechnet. Addierte man für jede Station zum Mittelwert der
strengen Winter den zugehörigen Betrag der Streuung (in Richtung auf die
ungünstigen Verhältnisse), so wurde der so erhaltene Wert als Datum des sehr
strengen Winters bezeichnet, Damit wurde erreicht, daß die Werte des sehr
strengen Winters einen Typus repräsentieren, der zwischen der Extremlage und
dem Typus des mittleren strengen Winters liegt. Denn die Extremlage stellt
einen Fall dar, der innerhalb der gesamten Beobachtungsperiode nur ein einziges
Mal vorgekommen ist und zudem verschiedenen Wintern angehört hat, während
der Typus des sehr strengen Winters einen noch häufiger eintretenden Fall dar-
stellt,, da er ja aus den Werten .der mittleren Streuung abgeleitet wurde, und
somit eher im Bereich der Möglichkeit liegt,
Was nun die Definition jedes Wintertypus anlangt, so hätte es nahegelegen,
den von Hellmann für die Charakterisierung von strengen und milden Wintern
benutzten Begriff der Kältesumme auch hierfür zu verwenden®). Die Kältesumme,
welche die Summe derjenigen täglichen Mitteltemperaturen darstellt, die unter
0°C sind, wurde für die Betrachtung von Eisverhältnissen zuerst von Castens®)
eingeführt. Speerschneider hat sie dann später in die jährlichen Berichte
über die Eisverhältnisse in den dänischen Gewässern”) aufgenommen, wo sie für
die repräsentativen Beobachtungsplätze tabuliert wird. Wenn wir hier jedoch
der Definition unserer Wintertypen nicht die Kältesummen, sondern ein anderes
Kriterium zugrunde legen, so hat das seinen Grund darin, daß die Kältesumme
eines Winters nicht ganz dem Grade seiner Vereisung entspricht, und auf diesen
kommt es bei der Klassifizierung der Winter ja gerade an. Die Vereisung hängt
nämlich außer von der Kältesumme noch von einigen anderen Faktoren ab.
Diese sind:
' Die Geschlossenheit der Kälteperiode. Ein Winter mit einer Kältesumme A,
die sich aus einer ununterbrochenen Reihe von Tagen mit mittleren
Temperaturen unter 0°C zusammensetzt, bringt eine größere Vereisung
hervor als ein Winter mit der gleichen Kältesumme A, die sich jedoch
aus einzelnen Perioden mit Frosttagen, unterbrochen von Tagen positiver
Temperaturmittel, ergibt, wenn man von den übrigen Faktoren absieht.
Der Einfluß des Wärmevorrats des vorangegangenen Sommers. Ein
Winter mit einer Kältesumme A und einem Wärmevorrat des voran-
gegangenen Sommers B bringt mehr Eis hervor als ein Winter mit der
gleichen Kältesumme A und. einem Wärmevorrat C, wenn B <C, und
wenn man von 1 absieht.
Ein dritter lokaler Faktor: ist die Tiefe des Gewässers, der hier bei der
Betrachtung ein und desselben Gebietes fortfällt.
Auf diese Faktoren, von denen die Vereisung außer von der Kältesumme
abhängt, hat bereits J. Richter in seiner Arbeit „Die Vereisung der Beltsee
und südlichen Osisee im Winter 1928/29%)“ hingewiesen und sie durch einige
Beispiele belegt. Wir wollen hier den unter 2 genannten Faktor auf Grund einer
33jährigen Beobachtungsperiode nochmals anschaulich darlegen. Wir bedienen
uns hierbei für den Grad der Vereisung eines Begriffes, der von H. Oellrich
auf Grund seiner langen Erfahrungen im Deutschen Eisdienst eingeführt und
5) Hellmann, Über strenge Winter, Sitzungsberichte der Kgl. Preuß, Akad, d. Wiss,, Berlin
1917; Über milde Winter, ebenda, Berlin 1918, — °%) Ann, d. Hydr. usw. 1906, H. 7, S. 325, —
?) Isvorholdene i de Danske Farvande, Publ. f, d. Danske Met. Inst. Kopenhagen 1923—1930, ab
1931 als Is- og Besejlingsforh. i de Danske Farvande, Kopenhagen fortgeführt. — ®%) Aus dem Archiv
der Deutschen Secwarte. Bd. 52. Nr. 5. Hamburg 1933.