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Full text: 70, 1942

Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Februar 1942, 
Anders liegen die Verhältnisse in den deutschen und den ihnen benach- 
barten Gewässern. Hier kann von einer gewissen Regelmäßigkeit nur in den 
flachen Haffen der Ostseeküste und allenfalls noch an den Küsten der mittleren 
Ostsee gesprochen werden. Weiter nach Westen erfolgt der Übergang in eine 
völlig andere Klimazone, nämlich vom russischen Kontinentalklima mit seinem 
im Winter antizyklonalen Charakter zu dem ozeanischen Klima des östlichen 
Nordatlantik mit seiner (begünstigt durch die weit nach Norden vorgeschobenen 
warmen Wasserzweige) vorwiegend zyklonalen Wetterlage, Die in der Regel 
nach Nordost abrollenden Depressionen ziehen auf ihrer Rückseite eine Kaltluft- 
masse herab, die, über dem Kontinent sich stabilisierend, weiteren Ausbruch von 
Kaltluft aus dem Osten begünstigt. Derartige Kaltluftwellen streifen in der Regel 
nur die baltische und ostpreußische Zone und bewirken hier in den flachen 
Gewässern eine meist über den ganzen Winter andauernde Eisbedeckung. Nur 
selten holen diese Kaltluftwellen weiter nach Westen aus, überfluten mit ihrer 
Kaltluft den mitteleuropäischen Raum, dort ein Hoch ausbildend, das sich ge- 
legentlich auch durch Ausstrahlung zu versteifen vermag. Normalerweise tritt 
eine kurze Frostperiode solcher Art in jedem Winter auf, Sie erzeugt dann in 
seichten, mehr von süßem Flußwasser beherrschten Küstenteilen, in flachen, engen 
Buchten eine dünne Eisdecke, die leicht zerbricht, und deren Schollen in die 
offene See hinaustreiben, ohne die Schiffahrt ernstlich zu gefährden. Diese Frost- 
perioden, die nur von kurzer Dauer sind, fallen zeitlich sehr verschieden, Sie 
können sehon im November auftreten, verschwinden dann aber sehr bald wieder, 
um meistens nicht mehr wiederzukommen. Im Mittel fallen sie jedoch etwa in 
den Dezember und Januar. Das Eis, das durch sie erzeugt wird, löst sich eben- 
falls mit ihrem Entschwinden sehr rasch. Das Wasser ist nämlich in dieser frühen 
Epoche des Winters noch ziemlich warm — das Minimum der Wassertemperatur 
tritt auch an der Oberfläche erst ziemlich spät ein: Februar bis März (wir 
kommen später noch darauf zurück) —, so daß das noch nicht starke Eis, ge- 
borsten und in die See hinausgetrieben, bald abschmilzt. 
Ist die den russischen Raum überfließende Kaltluftmasse von besonderer 
Mächtigkeit, zudem hinreichend durch Ausstrahlung stabilisiert, derart, daß ihre 
Mitteleuropa überflutende Flanke, fest mit der Hauptmasse zu einem großen 
Hochdruckgebilde verbunden, von dort durch östliche Winde ständig frischen 
Zustrom erhält, so kann sich eine solche Kältewelle zu einer den ganzen Winter 
beherrschenden Frostwetterlage auswachsen. In solchen Wintern vereisen Kattegat, 
Beltsee und südliche Ostsee völlig, selbst große Teile der Deutschen Bucht, des 
Skagerrak und besonders der größte Teil der mittleren Ostsee stehen unter Eis. 
Indem dann das Eis die Gegenstrahlung der Wasserfläche abschirmt und damit 
die Ausstrahlung der darüber lagernden untersten Luftschicht begünstigt, wird 
die Frostlage weiterhin gestärkt und bis in den späten Frühling hinein wirksam 
gehalten. (Daher ist eine genaue Kenntnis der Eisverteilung im gesamten See- 
raum für die Meteorologie nicht ohne Bedeutung.) 
Infolge der Veränderlichkeit des Wintercharakters in den von uns betrach- 
teten Gebieten gibt es nun Plätze, die in manchen Wintern unmittelbar vereist 
sind, in manchen nur mittelbar, indem zwar dort kein Eis entsteht, aber an 
anderer Stelle entstandenes dorthin getrieben wird, und die in weiteren Wintern 
hingegen völlig eisfrei bleiben. Beachtet man ferner, daß die Eintrittszeit des 
an einem Platze beobachteten Eises oft einen Streubereich von drei Monaten 
(und manchmal auch mehr) umfaßt (mit dem Datum des letzten Eises verhält 
es sich ebenso), so ist einzusehen, daß die aus sämtlichen verfügbaren Wintern 
arrechneten Mittelwerte über die Vereisung (Datum des ersten und letzten Eises, 
Anzahl der Tage mit Eis) den wirklichen Verhältnissen in keiner Weise ent- 
sprechen können. Liegen doch zudem die‘ Daten des Endes der Vereisung in 
strengen Wintern sehr spät (März-April, ja Mai), in den anderen Wintern jedoch 
relativ früh (Januar-Februar), so daß ein Mittelwert hiervon in Wahrheit nur 
selten anzutreffen wäre. Gäben also schon die Isolinien der mittleren Anzahl 
der Tage mit Eis kein der Wirklichkeit entsprechendes Bild der Vereisung, So 
wäre es wahrscheinlich gar nicht erst möglich gewesen, eine Entwicklung der
	        
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