Neumann, Gerhard: Die absolute Topographie des physikalischen Meeresniveaus usw. 9271
des physikalischen Meeresniveaus setzt uns in die Lage, die Wasserbewegungen
mit gewisser Annäherung auch quantitativ zu erfassen. Kine Überführung der
relativen in die absoluten Topographien ist aber nur dann möglich, wenn eine
Tiefenschicht festgelegt werden kann, in der die horizontalen Druckgradienten
verschwinden und demzufolge Bewegungslosigkeit herrscht, d.h. es muß eine
Tiefenschicht bestimmt werden, in der die Isobarenflächen mit einer Niveaufläche
des Geoids zusammenfallen.
4. Über die Lage der dynamischen Bezugsfläche im Schwarzen Meer.
Am sichersten wäre es, schwach bewegte oder bewegungslose Tiefenschichten
im Meer durch direkte Strommessungen zu ermitteln. Wie im Ozean, so fehlen
aber auch im Schwarzen Meer ausreichende Strombeobachtungen in der Tiefe, um
solche „Nullschichten“ festzulegen, und wir sind allein darauf angewiesen, indirekt,
d. h. aus dem ozeanographischen Aufbau der Wassermasse auf verhältnismäßig
schwach bewegte oder bewegungslose Schichten zu schließen. Bisher ist es nur
einmal möglich gewesen, die Tiefenlage der Bezugsfläche aus direkten Strom-
messungen zu bestimmen, und zwar durch G. Wüst (sı) für einen Querschnitt
durch den Floridastrom.
Man hat die Bezugsfläche vielfach mit dem Hinweis in größere Tiefen ver-
legt, daß dort die Bewegungen am ehesten zu vernachlässigen sind, Solange
man sich mit der Ermittlung eines qualitativen (vielleicht auch angenähert quanti-
tativen) Bildes der Topographie der Meeresoberfläche begnügt, wird eine
solche Annahme auch in den meisten Fällen zu hinreichend genauen Resultaten
führen, denn im allgemeinen nehmen die Druckgradienten mit der Tiefe rasch
ab, Eine solche „Nullfläche“ in größeren Tiefen wird man aber immer nur als
Notbehelf heranziehen und nur dann annehmen, wenn keine Möglichkeit besteht,
aus dem Aufbau des Meeres auf schwach bewegte Schichten zu schließen,
In der vorliegenden Arbeit kommt es zunächst darauf an, die Topographie
des physikalischen Meeresniveaus zur Darstellung des Gradientstromfeldes zu
berechnen, Da auch in der Tiefe des Schwarzen Meeres die horizontalen Druck-
unterschiede im Vergleich zu den Druckgradienten der obersten Wasserschicht
gering sind, würde man vielleicht auch bei Annahme einer „Nullfläche“ in etwa
1000 m Tiefe zu hinreichend genauen Resultaten an der Meeresoberfläche kommen.
Will man aber etwas über die Wasserbewegungen in der Tiefe aussagen, dann
ist die Wahl der dynamischen Bezugsfläche von entscheidender Bedeutung, und
zwar in um so höherem Maße, je geringer die Druckunterschiede in den Tiefen-
schichten sind, Es würde hier zu weit führen, näher auf den vertikalen Aufbau
des Schwarzen Meeres einzugehen. Die für die absoluten Topographien der unteren
Druckflächen wichtigen Fragen erfordern eine ausführlichere Bearbeitung und
müssen einer späteren Arbeit vorbehalten bleiben, die sich mit dem vertikalen
Aufbau und der Zirkulation der tieferen Schichten des Schwarzen Meeres befassen
wird, Es mögen daher in diesem Zusammenhang einige kurze Bemerkungen zur
Festlegung der dynamischen Bezugsfläche genügen.
Bei der Festlegung der dynamischen Bezugsfläche im Atlantischen Ozean
hat A. Defant (ı) jede Annahme von Schichtgrenzen der einzelnen Wasserarten
bewußt vermieden und ist von der Ansicht ausgegangen, daß die räumliche Lage
der Bezugsfläche nur aus dem Aufbau des Meeres, zusammengefaßt in der dy-
namischen Auswertung des Beobachtungsmaterials, zuverlässig bestimmt werden
kann. Die Differenzen der dynamischen Tiefen bestimmter Druckwerte zwischen
zwei benachbarten ozeanographischen Stationen geben bekanntlich nach der
Bjerknes-Helland-Hansenschen Beziehung ein relatives Maß für den zur Verbin-
dungsfläche beider Stationen senkrechten Geschwindigkeitsunterschied zwischen
der Meeresoberfläche und der dem Druckwert entsprechenden Tiefe, Trägt man
diese Differenzen in ein Koordinatensystem ein, in dem die Ordinaten die Stan-
dardwerte des Druckes, die Abszissen die dazugehörigen Differenzen der dynami-
schen Tiefen darstellen, dann erhält man eine Kurve, die die relative vertikale
Geschwindigkeitsverteilung senkrecht zu beiden Stationen angibt. Wäre der
Nullpunkt der Zählung auf der Abszisse bekannt, dann würde es ohne weiteres