Neumann, Gerhard: Die absolute Topographie des physikalischen Meeresniveaus usw. 9267
Stromzweige zwischen der Krimküste und Mittelanatolien ab und verlangt Be-
weise, die ihre Existenz eindeutig sicherstellen. Wenn zwischen der Nord- und
Südküste des mittleren Teiles des Schwarzen Meeres überhaupt Strömungen vor-
handen sind, dann könnten es nach Ansicht von Skworzow nur Triftströme
sein, derart, daß bei südwestlichen Winden Wasser vom Bosporus und der
anatolischen Küste nach Norden getrieben wird und umgekehrt bei nördlichen
und nordöstlichen Winden Asowsches Wasser nach Süden gelangt. Damit schließt
sich Skworzow der Meinung von J. B. Spindler (2) vom Jahre 1914 an%j.
Zweifellos haben Spindler und Skworzow mit ihrer Ansicht nicht ganz unrecht,
denn wenn auch wirklich zwei entgegengesetzte Strömungen zwischen der Krim
und Mittelanatolien vorhanden sind, wie Knipowitsch sie annimmt, werden
diese vielleicht nicht sehr kräftigen Stromzweige, je nach den herrschenden
Windverhältnissen einmal stärker, ein andermal schwächer ausgebildet sein.
An Stelle der von Knipowitsch angenommenen zwei Teilwirbel glaubt
Skworzow jedoch eine Strömung auf der Linie Sinope—Noworossijsk annehmen
zu müssen, Auch W, N, Nikitin (16) hält eine von Ineboli nach NE gerichtete
Wasserbewegung für möglich, allerdings mit dem Unterschied, daß diese Strö-
mung weniger nach Noworossijsk, sondern mehr nach Tuapse gerichtet ist. Eine
solche Strömung würde, wenn sie tatsächlich vorhanden wäre, dem Schema von
Knipowitsch völlig widersprechen. Beide Auffassungen lassen sich in keiner
Weise miteinander vereinigen, denn gerade dort, wo nach Knipowitsch im
5Östlichen Teil des Meeres das Zentrum des großen Kreisstromes, also ein
bewegungsloses oder nur stromschwaches Gebiet liegt, stellt Skworzow ein nach
NE gerichtetes Stromband fest.
Als Beweise für die Existenz dieser Strömung gibt Skworzow folgende an:
In einer Arbeit von Nikitin (16) über die Verteilung der unteren Grenze des
Planktons findet man etwa auf der Linie Sinope— Tuapse die letzten Spuren des
Lebens in einer Schicht von etwa 150 bis 175 m Tiefe, während sich nordwestlich
und südöstlich davon diese Grenze auf 100 und 125 m Tiefe hebt. Danach könnte
man tatsächlich an der südlichen Begrenzung der nördlichen Aufwölbung der
unteren Planktongrenze auf einen Strom in der angegebenen Richtung schließen.
Doch erscheint diese von Nikitin angenommene Einsenkung der Planktongrenze
wenig gesichert, denn sie stützt sich nur auf Beobachtungen an zwei ziemlich
weit voneinander entfernten Stationen, Da die Verteilung des Lebens im Schwarzen
Meer eng mit dem physikalisch-chemischen Aufbau verbunden ist und die untere
Grenze des Planktons später in anderem Zusammenhang gebraucht wird, wurden
die von Nikitin gemachten Beobachtungen mit den von der Schwarzmeer-Asow-
schen Fischereiexpedition gewonnenen zusammengefaßt und die horizontale Ver-
teilung der unteren Planktongrenze neu dargestellt, Gerade in dem fraglichen
Gebiet kommen auf diese Weise einige Beobachtungen hinzu und der Verlauf
der Isolinien kann ziemlich sicher dargestellt werden. Von einer Wiedergabe der
Karte der horizontalen Verteilung der unteren Grenze der Lebewesen (Plankton)
kann an dieser Stelle abgesehen werden, da sie später in einer anderen Arbeit
gebracht wird, Es sei hier nur bemerkt, daß nach den vorhandenen Beobachtungen
kein zwingender Grund besteht, die Einsenkung der Planktonuntergrenze an dieser
Stelle anzunehmen. Im Gegenteil, sämtliche Beobachtungen zwingen dazu, eine
Verbindung der nördlichen und südlichen Hebung der Untergrenze vorzunehmen,
Den zweiten Beweis für die Existenz dieses Stromstriches entnimmt Skworzow
einer Arbeit von A. D. Archangelski (ı) über die Sedimente des Schwarzen Meeres,
In einer dieser Arbeit beigegebenen Karte findet man in Richtung der an-
gegebenen Strömung ein breites Band „gestreiften Tones“?). Diese Ablagerungen
führt Skworzow auf das Vorhandensein einer Strömung in der angegebenen
Richtung zurück.
‚ Die Strömungsverhältnisse im mittleren Teil des Schwarzen Meeres werden auch im Handbuch
für das Schwarze Meer (2. Aufl. 1921) ähnlich dargestellt. — 2%) Der „gestreifte Ton“ ist eine Über-
gangsbildung zwischen dem an terrigenen Substanzen sehr reichen (75%) „Grauen Ton“ und dem
„Kalkschlamm“, einem hemipelagischen Sediment, das in den zentralen Teılen des östlichen und west-
lichen Tiefenbeckens zu finden ist.