Ann. d. Hydr. usw., LXX. Jahrg. (1942), Heft VM.,
nm
Kohlensäure in Atmosphäre und Meer.)
Von Kurt Buch, Akademie Äbo.
1. Kreislaufsysteme des Kohlenstoffs,
Die Zusammensetzung der freien Atmosphäre ist im Laufe der geologischen
Entwicklung nicht unverändert geblieben, vielmehr ist sie durchgreifenden Um-
wandlungen unterworfen worden, welche bedingt sind durch das geochemische
Geschehen, und zwar im allergrößten Ausmaße von dem im Zusammenhang mit
den biologischen Prozessen stehenden. So sind führende Geochemiker, von denen
hier W, Vernadsky und V. M. Goldschmidt erwähnt seien, der Meinung, daß
die ursprüngliche Atmosphäre neben Stickstoff hauptsächlich Kohlendioxyd ent-
halten hätte, und daß der größte Teil des Sauerstoffs erst nachträglich durch
die photosynthetische Tätigkeit der Pflanzen entstanden wäre. Vergleichen wir
mit diesem Urbilde die jetzige Zusammensetzung der Atmosphäre mit einem
Sauerstoffgehalt von 21/100 Raumteilen und dem Kohlendioxydgehalt von nicht
mehr als 0.03/100 Raumteilen, so ist ersichtlich, daß die Entwicklung dadurch
gekennzeichnet ist, daß die Kohlendioxyd verbrauchenden und Sauerstoff produ-
zierenden Prozesse, also vorwiegend die pflanzliche Tätigkeit, gegenüber den
entgegengesetzten, also den Atmungs- und Verwesungsprozessen, überwogen haben
müssen. Es sei jedoch auch daran erinnert, daß genannte biologische Prozesse,
obgleich die wichtigsten, doch keineswegs die einzigen sind, welche den Lager-
bestand der Atmosphäre an Sauerstoff und Kohlendioxyd zu verändern streben.
Von größtem Interesse ist es nun zu erfahren, wie sich die Evolution zur Zeit
weiter bewegt, ob ein Gleichgewicht der Kohlensäure verbrauchenden und zu-
führenden Prozesse erreicht ist oder eine einseitige Entwicklung besteht.
Diese Frage kann indessen nicht behandelt werden, ohne ein anderes mit
der Atmosphäre in naher Beziehung stehendes Raumgebilde in Betracht zu ziehen,
nämlich das Meer. Die nähere Beschaffenheit dieser Beziehungen, die Austausch-
vorgänge und selbsttätigen Regulierprozesse sollen den Hauptgegenstand der
folgenden Betrachtungen ausmachen. Die Ergebnisse derselben erlauben, wie wir
finden werden, Ausblicke auch auf die Frage der geochemischen Weiterentwick-
lung in der Atmosphäre.
Für unsere weiteren Ausführungen ist es zweckmäßig, von einer allgemeinen
Kohlensäurebilanz der Atmosphäre (und des Meeres) auszugehen, und es seien zu
dem Zweck die von V. M. Goldschmidt?) berechneten, der Atmosphäre und dem
Meer jährlich zugeführten bzw. entnommenen Mengen Kohlensäure angeführt,
angegeben in y (= 0.001 mg) je cm? der gesamten Erdoberfläche.
Jahresumsatz an CO, je cm? der gesamten Erdoberfläche
nach V. M. Goldschmidt:
Zufuhr von juveniler CO, 3—6y
Verbrennung von Kohle und Erdöl 800 y
Atmung und Verwesung etwa 40000 v
- Photosynthese etwa 41909»
Verwitterungsvorgänge
Neubildung kohliger Sedimente
Die biologischen Prozesse dominieren also vollständig, Fast verschwindend
im Vergleich zu diesen sind die durch Verwitterungsvorgänge, also vor allem
durch Umwandlung der Silikatgesteine in Karbonatgesteine und im Meere durch
Ausfällung von Karbonaten aus dem Kreislaufe entfernten CO,-Mengen, des-
gleichen die durch entgegengesetzte Prozesse der Atmosphäre aus Vulkanen,
heißen Quellen usw. zugeführte juvenile CO,. Ein besonderes geochemisches
‘) Vortrag, gehalten am 1. 12, 1941 auf Einladung der Deutschen Seewarte in Hamburg. Der-
selbe Vortrag wurde am 5, 12, 1941 in Berlin auf Einladung des Instituts für Meereskunde der
Universität und der Gesellschaft für Erdkunde gehalten. -— 2?) (10) S. 415.
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