Neuere Veröffentlichungen,
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logie Erhaltungsneigung, in der Physik Wahr.
scheinlichkeitsnachwirkung genannt und gibt ver-
schiedene neue statistische Probleme auf.
Zu den in der Statistik zu lösenden Problemen
gehört noch die Periodenforschung. Hierbei handelt
es sich um die Feststellung nicht nur reiner
Perioden, sondern auch quasiperiodischer Erschei:
nungen, in denen unperiodische Anteile enthalten
sind, Der Periodenforscher befaßt sich also nicht
nur mit der Erfassung harmonischer Wellen,
sondern er berechnet Amplituden und Phasen für
eine große Reihe von Versuchswellen, deren
Wahrscheinlichkeit er bestimmt, Er ermitteli
ferner aus dem Beobachtungsmaterial die Abhän-
gigkeit der Amplituden und Phasen von der Länge
und Lage des Analysenintervalls, um durchgehende
Perioden von quasiperiodischen Vorgängen und
rein zufälligen Perioden zu unterscheiden.
In der Wetter- und Klimakunde, vor allem
in der letzteren, spielt die Statistik eine grund-
legende Rolle. „Die Klimatologie ist die Lehre
von dem durchschnittlichen oder wahrschein-
lichsten, kurz von dem normalen Zustand deı
Atmosphäre,“ Die Statistik dient zur Aufbereitung
der Beobachtungen, während meteorologische Be:
trachtungen sowohl zur Anlage der Statistiken wie
zur Deutung der Ergebnisse notwendig sind. In
der Klimatologie ist man von den einfachsten
statistischen Methoden bis zur Bestimmung von
höheren Charakteristiken unter Beschränkung auf
die einzelnen Elemente fortgeschritten. Hier aller
dings scheint eine vorläufige Grenze gesetzt zu
sein, da es bis heute noch anschaulicher Ver-
knüpfungen zwischen den Charakteristiken und den
meteorologischen Tatsachen ermangelt. Im Wetter-
dienst spielte die Statistik eine weniger auffällige
Rolle; dort wurde das Augenmerk im wesentlichen
auf besondere Einzellagen gerichtet. An die Stelle
der Statistik trat das Zyklonenschema. Aber im
Grunde seines Wesens ist dieses auch ein Er-
gebnis der Statistik, da ja aus vielen ähnlich
gelagerten Einzelfällen ein allgemeineres Schema
abgeleitet wurde. Neuerdings macht sich auch
wieder eine stärkere Neigung für die Statistik
bemerkbar: Klima- und Wetterkunde suchen eine
gemeinsamere breitere Basis. Man versucht in der
Klimatologie die Ganzheit des Geschehens zu um-
fassen und in der Wetterkunde besondere Wetter-
lagen statistisch zu erfassen. Die Schwierigkeit
liegt in der Auffindung eines geeigneten UOrdnungs-
prinzips, das auf beide günstig anwendbar Ist.
Eine bedeutende Rolle spielt in der Wetter- und
Klimakunde der Korrelationskoeffizient. Mit ihm
ist es möglich gewesen, den Zusammenhang von
Elementen am selben Orte aufzufinden, vor allem
den von Druck und Temperatur in den verschie-
denen Höhen der Atmosphäre. Diese sind von
ausschlaggebender Bedeutung für unsere Kenntnisse
im Aufbau von Hoch- und Tiefdruckgebieten ge-
worden. — Aber auch der Zusammenhang deı
meteorologischen Elemente von weit auseinander-
liegenden Gebieten ist mit Hilfe des Korrelations-
koeffizienten erfaßt worden und z. T. für die
langfristigen Wettervorhersagen unentbehrlich ge-
worden, Nicht zu vergessen sind die Periodogramm:
Analyse und ähnliche Verfahren, die zur Auf-
deckung von rhythmischen Witterungsabläufen
geführt haben.
Die meteorischen Erscheinungen bilden ein
Beispiel dafür, daß zu ihrer Bearbeitung die
Statistik fast als einzige Arbeitsmethode ange-
wandt werden kann. Und hierbei ist zu berück-
sichtigen. daß es völlig unmöglich ist. alle
meteorischen Erscheinungen durch Beobachtung
zu erfassen. Zwar ist versucht worden, durch
besondere Verfahren die Zahl der Beobachtungen
zu erhöhen, jedoch ist nachgewiesen worden, daß
der einzelne Beobachter nur 23 von hundert der
über dem Horizont aufleuchtenden Meteore wahr-
nimmt. So bleibt das zu bearbeitende Beob-
achtungsmaterial sehr unvollständig. Die Zählung
ler Sternschnuppen dient zur Festlegung der täg-
ichen Variation, Da die Geschwindigkeit der
Sternschnuppen durchschnittlich größer sein wird
als die der Erde, wird die Vorderseite dieser von
nehr Schnuppen getroffen als die Rückseite. In-
jolge der gleichzeitig erfolgenden Umdrehung der
Erde entsteht nun die tägliche Variation, Die
Meteorhäufigkeit nimmt mit dem Fortschreiten der
Nacht zu.
Aus der Variation hat schon Schiaparelli
das Prinzip der statischen Geschwindigkeit be-
zründet. Er erhielt als mittlere Geschwindigkeit
las 1.414fache der Erde und schloß auf einen
zometarischen Ursprung der Meteore (Parabel-
jahn); später vervollkommnetere Arbeiten ergaben
len Wert 2.4, d.h. sie sind interstellaren Ursprungs.
Die stündlich beobachtete Anzahl beträgt im Mi-
ıimum 5, im Maximum etwa 12. Zur Zeit der
‚egelmäßig wiederkehrenden Sternschnuppenströme
ist sie höher. Beim Niederfall von Meteoriten
spielt das Tageslicht eine große Rolle. Nach einer
Statistik, die 268 Fälle umfaßt, sind beobachtet
worden: Von Oh—6h 21, von 6h—12h 67, von
'2h—18h 122 und von 18b—24h 58 Fälle. Das
Maximum liegi überraschend bei Tageslicht am
Nachmittag,
In der Astrophysik spielt die Statistik auf
len verschiedensten Gebieten eine bedeutende
Rolle, So ist es möglich, durch statistische Unter-
suchungen die trigonometrischen nicht meßbaren
Entfernungen einer großen Zahl von Sternen zu
yestimmen. Im wesentlichen bedient man sich
ler Korrelationsmethoden, die ebenfalls auf dem
Gebiete der veränderlichen Sterne, der Nebel usw.
zrundlegende Erkenntnisse ermittelt haben, Ein
veites Anwendungsgebiet findet die Statistik in
ler Stellarstatistik, wie schon der Name andeutet,
Sie enthält die Lehre vom Sternsystem, und zwar
;n bezug auf die räumliche Verteilung der Sterne
and auf ihre Bewegungsverhältnisse im Stern-
'ystem. Während die statischen Methoden in der
Astrophysik die allgemein bekannten sind und durch
je keine grundlegenden neuen Gesichtspunkte der
Statistik geschaffen werden, ist es in der Stellar-
statistik anders. Hier sind nicht nur statistische
TVorschungsmethoden anzuwenden, sondern das zu
5sende Problem wird seinem Wesen nach statistisch.
£s können nur die Masseneigenschaften der das
System bildenden Glieder, die als Charakteristiken
[ür die Beschaffenheit des Systems als Ganzes in
Frage kommen, benutzt werden.
Die Statistik erhielt Eingang in die Physik
lurch die Untersuchungen Maxwells über die
Seschwindigkeitsverteilung der Moleküle in der
Theorie des idealen Gases. Diese Untersuchungen
’anden ihre Fortsetzung durch Boltzmann, der
den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik als
statistisches Gesetz erkannte. Die theoretischen
Ergebnisse von Maxwell, Boltzmann u. a.
konnten erst sehr viel später experimentell ge-
prüft werden und leiteten zur Atomvorstellung
über. So ist denn die ganze moderne Physik auf
;tatistischen Grundlagen aufgebaut, wobei dann
lie kausale Wechselwirkung erhebliche Einschrän-
kungen erfahren hat. Hermann Dunkel.