190 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1942.
liche Statistik bedient sich im allgemeinen ein-
facher Rechenoperationen, die formelmäßig meist
gar nicht in die Erscheinung treten. Im Gegen-
satz hierzu wird in der Statistik in den Natur
wissenschaften weitgehend mit Formeln gearbeitet,
wodurch sie schon äußerlich ein ganz anderes
Gepräge erhält. Hinzu kommt noch, daß der
sozialpolitische Statistiker häufig keine besonderen
mathematischen Kenntnisse besitzt und daher mit
der mathematischen Statistik wenig anzufangen
weiß, während dem Naturwissenschafter die Ope-
rationen der Wirtschaftsstatistiker zu bescheiden
sind, um aus seinem Untersuchungsmaterial etwas
herausholen zu können, Im Gegensatz hierzu ist
die sozialpolitische Statistik in den angelsächsischen
Ländern höchst mathematisch eingestellt und ist
dabei häufig zu einer Überschätzung der mathe-
matischen Methoden gelangt,
Der Aufbau des Werkes ist in fünf Haupt-
abschnitte aufgespalten, Der erste behandelt die
„Geschichte, Theorie, Organisation und Technik
der Statistik“. Es folgen dann die „Bevölkerungs-
statistik“, die „Kultur-, Verwaltungs- und Finanz:
statistik“ und als umfangreichster Teil die „Wirt-
schafts- und Sozialstatistik“, Den fünften Ab-
schnitt bildet die „Statistik in den Naturwissen-
schaften“. Als Ziel schwebte dem Herausgeber
vor, „alle Tätigkeits- und Forschungsgebiete der
deutschen Statistik in Form von in sich abge-
schlossenen, aber möglichst aufeinander abgestimm-.
ten Einzeldarstellungen durch die berufensten Sach-
kenner behandeln zu lassen, Dabei sollten unter
Darlegung des Zieles und der Bedeutung der be-
treffenden Statistik Aufbau und Methoden, sowie
die wissenechaftlichen und praktischen Leistungen
auf knappem Raum klar herausgearbeitet werden.
Materielle Ergebnisse sollten grundsätzlich nicht
oder nur dann gebracht werden, wenn sie zur Er-
Jäuterung der Bedeutung und Methode des be-
treffenden Arbeitsgebietes oder der Problematik des
behandelten Gegenstandes unerläßlich erschienen“,
Es ist hier nicht der Platz, über die vier ersten
Abschnitte ausführlich zu berichten, wenn auch
mancher Beitrag so wertvoll ist, daß ein jeder ihn
kennen müßte, Es sei besonders auf die über die
Statistik in der Biologie und die Bevölkerupbgs-
und Erbstatistik hingewiesen. — „Biologische Ge-
setzmäßigkeiten sind ihrem Wesen nach statistischer
Natur“ (Koller), — „Und nirgends hängt von
Statistik soviel ab bezüglich Wohl und Wehe der
Menschheit wie von solcher Erbstatistik“ (E.
Fischer). — Unter jeder großen Staatsführung
hat die Statistik einen bedeutenden Aufschwung
genommen; das war zur Zeit Friedrichs des Großen
so, zur Zeit Bismarcks und besonders jetzt im
Reiche Adolf Hitlers. Man denke nur an den
Vierjahresplan, die Aufrüstung usw. Früher be-
gnügte man sich mit dem, was die amtliche Sta-
tistik bot. Die Wissenschaft und die Wirtschaft
suchten nach statistischen Ergebnissen, um ihre
Theorien zu beweisen. Heute dagegen treten der
Staat und die Wirtschaft an die Statistik heran
and fordern Unterlagen für wichtige Entscheidungen,
Der fünfte Abschnitt „die Statistik in den
Naturwissenschaften“ enthält auf 55 Seiten die
folgenden Arbeiten:
1. Baur: Die Statistik in den Naturwissen-
schaften,
von Patow: Variationsstatistik und Bio-
netrik,
Bartels: Die Statistik in der Geophysik
Möller: Die Statistik in der Klima- und
Wetterkunde,
Hoffmeister: Die Statistik der meteo-
rischen Erscheinungen,
6. von der Pahlen: Stellarstatistik und
7. Jordan: Die Statistik in der modernen
Physik,
In der ersten Arbeit, die (irundsätzliches über
die Statistik in den Naturwissenschaften enthält,
wird dargelegt, daß es im Wesen der naturwissen-
schaftlichen Betrachtungsweise liegt, daß hier die
Methoden der mathematischen Statistik zur An-
wendung kommen, In den Naturwissenschaften
werden die objektiven Sachverhalte mit möglichster
Genauigkeit und Vollständigkeit bestimmt. Hier
ijegt als objektive Grundlage die Messung vor.
Um jeder Willkür zu begegnen, ist es notwendig,
lie Statistik mathematisch zu behandeln. Aber
ler Naturwissenschafter will noch mehr: er will
die Erscheinungen durch Gesetze verknüpfen
and will wissen, ob die Verteilungen und Bin-
lungen zufällig sind oder davon abweichen. Aus
liesem Grunde muß die Statistik wahrscheinlich-
zeitstheoretisch begründet werden. „Kine wahr-
icheinlichkeitst heoretisch‘ begründete und mathe-
matisch verarbeitende Statistık ist die den Natur-
’orschern am besten entsprechende Statistik.“
Es treten nun zwei wesentlich verschiedene
Verfahren auf, deren Verwechslung oft schon zu
"rrtümern und Mißverständnissen geführt hat.
Jer Inhalt der ersten Form ist rein theoretisch
ınd bildet einen wesentlichen Teil der theoretischen
7hysik. Der Unterschied gegenüber der gewöhn-
lichen Statistik liegt darin, daß die Elemente nicht
mehr gezählt werden können, sondern auf indirekte
Weise erschlossen werden (Anzahl der Gasmole-
züle in 1 mol usw.). Es wird dann von durch
ohysikalische Annahmen vorgegebenen Ausgangs-
yahrscheinlichkeiten und Verteilungen ausgegangen,
Sie werden dadurch festgelegt, daß gewisse Be-
reiche der Merkmalswerte als gleichwahrscheinlich
angenommen werden, und Aufgabe ist es nun,
neue Wahrscheinlichkeiten und Verteilungen ab-
zuleiten, Durch Änderungen der Ausgangswahr-
scheinlichkeiten erhält man verschiedene End-
ergebnisse, Durch Prüfung mit den Erfahrungs-
‘atsachen kann man dann rückwärts Schlüsse auf
lie Ausgangswahrscheinlichkeiten ziehen, „Der
Anfang und das Ende jeder Gedankenreihe der
>hysikalischen Statistik steht also mit der Er-
fahrung in Berührung.“
Den Inhalt der zweiten Form bildet die Er-
fahrung. Die Aufgabe ist hier, bestimmte Theorien
an der Erfahrung nachzuprüfen, Sie entspricht
der Form, die auch in der Wirtschafts- und Sozial-
statistik angewandt wird. Hierbei wird so vor-
zegangen, daß die eine statistische Masse bildenden
Elemente gezählt werden, und die Verteilung in
»ezug auf die Merkmale untersucht wird und ihre
Beziehungen untereinander erforscht werden.
In der Geophysik, Meteorologie und Astro-
nomie tauchen aber auch erweiterte Probleme auf,
Während es sich z. B. in der Biologie um die
Verbundenheit statistischer Massen handelt, bei
denen die Anordnung der Elemente gleichgültig
ist, treten in den oben genannten Wissenschaften
meistens sogenannte Zeitreihen auf, wo die Ver-
teilung von einer vorhergehenden abhängig ist.
Berechnet man für eine Reihe aufeinanderfolgender
Tage das Korrelationsverhältnia zwischen dem
Tagesmittel des Luftdruckes und dem Tagesmittel
der Temperatur, so wird die Maßzahl dadurch be-
einflußt, daß jedes einzelne Tagesmittel von dem
vorausgegangenen nicht unabhängig ist. Die Ab-
hängigkeit wird in der Geophysik und Meteoro-
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