Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, April 1942,
Zur Theorie des Strahlungshochnebels.
Von Dr, HM. Prügel,
Bei wolkenarmem, windschwachem Wetter tritt an Inversionen, die nicht am
Boden liegen, häufig eine als Hochnebel bezeichnete Stratusdecke auf. Dieser
Hochnebel bildet sich während der Nacht an der Oberfläche einer durch eine
deutliche Inversion nach oben begrenzten Dunstschicht, und als Ursache für
seine Ausbildung wird allgemein die nächtliche Ausstrahlung angegeben!). Wenn
diese Ansicht auch zweifellos richtig ist, so werden doch im einzelnen die physi-
kalischen Vorgänge bei der Ausbildung des Strahlungshochnebels nicht erschöpfend
dargestellt. Es sei deshalb an dieser Stelle einmal der Versuch gemacht, alle
wesentlichen Vorgänge bei der Entstehung des Strahlungshochnebels zu be-
schreiben. Dabei können wegen der bisher nicht ausreichenden Strahlungsmeß-
verfahren nur qualitative, nicht quantitative Angaben gemacht werden.
Nach den bisherigen Darstellungen“) sammeln sich am Tage unterhalb der
Inversion, also an der Dunstobergrenze, durch die Konvektion erhebliche Mengen
von Kondensationskernen an. (Es seien nur die Verhältnisse über Land be-
trachtet, da über See wegen der Gleichförmigkeit des Untergrundes und der
hohen Wärmeaufnahmefähigkeit des Wassers erhebliche Abweichungen auftreten.)
Nach Chromow!®) sammeln sich unter der Inversionsfläche Wasserdampf, Rauch
und Staub an, „die dorthin durch Turbulenz übertragen werden“. Für Staub
gilt das meines Erachtens nicht, da es nicht klar ist, warum er bei der Turbulenz
nur in den aufsteigenden, nicht aber in den absteigenden Zweigen mitgerissen
werden soll. Wieweit diese Ansicht für Wasserdampf zutrifft, sei dahingestellt.
Er ist zwar leichter als Luft, dafür aber meist in so geringen Mengen in der
Luft verteilt, daß er praktisch mit der Luftströmung mitgerissen wird, Ver-
fasser neigt dazu, eine Anreicherung von Wasserdampf durch Turbulenz unter-
halb der Inversion nicht anzunehmen, solange keine Kondensation erfolgt oder
wenigstens durch starke Verdunstung am Boden und gleichzeitige Konvektion
der am Boden gebildete Wasserdampf rasch in die Höhe geführt und mit der
aufgestiegenen, erwärmten Luft unter der Inversion ausgebreitet wird. Wenn
aber die Konvektion lange genug anhält, dürfte doch eine ziemlich einheitliche
Durchsetzung der ganzen unterhalb der Inversion gelegenen Luftschicht mit
Wasserdampf erfolgen, da dann die gesamte Luftschicht gut durchmischt ist.
Außerdem ist sicher eine, wenn auch nur geringe, Abgabe von Wasserdampf in
die über der Inversion gelegene, trockene Luft vorhanden,
Anders liegen die Verhältnisse beim Rauch, worunter die durch Verbrennungs-
vorgänge erzeugte Verunreinigung der Luft verstanden wird. Rauch entsteht
in unseren Gebieten weniger durch vom Menschen ungewollte Wald-, Steppen-,
Heide- oder Moorbrände als vielmehr hauptsächlich durch die ungeheure Kon-
zentration von Verbrennungsvorgängen in den Großstädten und Industriegebieten.
Der Rauch bildet sich immer dort, wo gleichzeitig Luft durch Verbrennungen
erwärmt wird. Er steigt also mit dieser warmen Luft empor, die sich dabei
natürlich adiabatisch abkühlt. An der Inversion ist sie zwar noch wärmer als
die umgebende Luft, im allgemeinen aber doch kälter als die oberhalb der
Inversion gelegene Luft, so daß sich diese mit Rauch angereicherte Luft zu-
nächst unterhalb der Inversion ausbreitet, Über großen, stark wärmeerzeugenden
Werken kommen dabei lokale Hebungen der Inversion um meist geringe Höhen
vor. Vor allem in der Nacht, wenn die durch die Sonneneinstrahlung bedingte
Konvektion fehlt, entstehen so oft ausgedehnte „Rauchdecken“ in Industrie- oder
Großstadtgebieten, während am Tage eine stärkere Durchmischung der unteren
Luftschichten durch die Konvektion diese Rauchdecken meist verschwinden läßt.
Dies ist ein Zeichen dafür, daß die Konvektion sogar eine Verringerung der
x Vgl. u. a.: 8) S. P. Chromow: Einf. i. d. synopt. Wetteranalyse. Wien 1940. S, 157.
b) Willet: Nebel u. Dunst ... Referat v. Egersdörfer in. Erf. Ber. d. dt. Flug-
wetterdienstes, Neudr, I, S, 167 ff,
c) Hann-Süring: Lehrb. d. Meteorologie I. Leipzig 1939. S.414ff.
?) Dazu zählt auch eine bisher nicht veröffentlichte Arbeit von H. Müller-Annen über „Die
Nehbelarten und ihre Klassifizierung nach der Art der Entstehunz“.
6)