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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1941.
Bemerkungen zum Austauschgleichgewicht,
Wenn in einer zonal aufgebauten Druckanordnung ein Teilchen seinen Platz
wechselt, so behält es sein (absolutes) Rotationsmoment und ändert dabei im
erdfesten System seinen Impuls. Dasselbe gilt, wenn alle reellen Kräfte fehlen,
das Teilchen also (absolut) unbeschleunigt ist. Deshalb ist im erdfesten, wie in
jedem beschleunigten System der Impuls keine Austauscheigenschaft, Der
Massenaustausch auf der rotierenden Erde strebt nicht einen einheitlichen Impuls
an, sondern ein inbomogenes Windfeld,
Um die Änderung des Impulses, soweit sie nur durch die Bewegung des
Systems bedingt ist, rechnerisch zu erfassen, werden Scheinkräfte, wie die Coriolis-
kraft, eingeführt, Ihre Wirkung wird am reinsten durch die Grundgleichungen
beschrieben, in denen keine reeile Beschleunigung auftritt, also durch (3) oder
(28), Das aus diesen abgeleitete indifferente Windgefälle stellt den Zustand des
Austauschgleichgewichts dar. Das in der Einleitung gegebene Beispiel, wo auf
100 km Querentfernung ein Windunterschied von 36 km/h bestand, ist also ein
Zustand, der durch den Austausch in der isentropen Fläche nicht ausgeglichen
wird, sondern im Gegenteil angestrebt und gestützt wird.
Wenn ein so starkes Gefälle meist nicht erreicht wird, so liegt das an der
Erdbodenreibung. Bei der mittleren Temperaturverteilung steigen die Flächen
gleicher potentieller Temperatur in der Troposphäre unter einem sehr flachen
Neigungswinkel « nach Norden an. Besteht in ihnen Austauschgleichgewicht
ST (20 + 2%
und trägt man der Bodenreibung dadurch Rechnung, daß man überall am Boden
Windstille annimmt, so ist das vertikale Windgefälle eine Funktion der Flächen-
neigung &: .
er 8042) @,
% SP a
51}
oder angenähert
dv gm üne— OO,
Öx sine
Die Formel 1äßt sich auch für höhere Luftschichten anwenden, wenn man
voraussetzt, daß die Windunterschiede in der Horizontalen gering gegenüber
den vertikalen sind. Diese durch die Erfahrung bestätigte Tatsache ist ebenfalls
auf die Bodenreibung zurückzuführen, deren Wirkungsbereich durch den verti-
kalen Austausch auch höhere Schichten erfaßt,
Solange die isenitropen Flächen unterhalb der Richtung zum Himmelspol
liegen (@ < @), strebt der Austausch einen mit der Höhe zunehmenden West-
wind an. Die Zunahme ist um so beträchtlicher, je kleiner die Neigung der
Flächen ist. Setzt man auf 45° Breite die für mittlere Verhältnisse noch zu
große Steigung von 1:100 an, so nimmt der Westwind auf 1000 m Höhe um
37 km/h zu. Ein so großes Windgefälle wird natürlich der senkrecht zu den
ijsentropen Flächen erfolgende Austausch zu verhindern suchen, so daß im Mittel
eine geringere Windzunahme besteht, Das bedeutet: Solange die Flächen eine
kleine Steigung besitzen, ist die Anordnung meist stabil. Erst wenn die Lage steiler
wird, läßt die Erdbodenreibung das indifferente Windgefälle zu, Das gilt natürlich
für die bodennahen Schichten in stärkerem Maße als für die höher gelegenen,
Die allgemeine Zunahme des Westwinds mit der Höhe ist zunächst eine
Gleichgewichtsforderung. Denn die mittlere Temperaturverteilung in der Tropo-
sphäre gibt den isobaren Flächen eine nach oben zunehmende Neigung gegen
den Pol hin. Wie nun aber ein durch verschiedene Höhen ausgetauschtes
Teilchen jeweils die nötigen Impulse erhält, ohne daß die normale Windverteilung
sich ändert, das wird durch den Satz von der Erhaltung des Rotationsmoments
erklärt. Ein Aufsteigen ist im Mittel mit einer Annäherung an die Erdachse
verbunden, also mit einer Zunahme des Westwinds®),
8) Die oft gehörte Erklärung, daß die nach Norden wandernde Luftmusse ihre (absolute) West-
OÖst-Geschwindigkeit beibehalte, und daß dadurch die Westwindzunahme entstehe, ist nicht richtig,
Das Windgefälle auf die Erdachse zu ist annähernd doppelt zo groß, als es nach dieser Theorie wäre,