296 Annalen der Hydrographie und Maritimen M[eteorologie, September 1941.
aller Reibung des Erdbodens aufzufassen ist, so müßten bei der dreifach als reell
erwiesenen extrem raschen Windzunahme von „‚Garten“ auf „Turm“ dann einer-
seits in den Schichten bis zu Manneshöhe fast Gberhaupt kein Wind mehr wehen
und anderseits in den Niveaus von nur wenigen hundert Metern schon ganz
abenteuerlich hohe mittlere Windgeschwindigkeiten erreicht werden!
Beides solches ist nun aber durchaus nicht der Fall! Wir kennen den fast
{reien Wind z. B. am Sonnblick, einem über 3 km hohen Gipfel der zentralen
Ostalpen im gleichen säkularen Extreme zu „mur“ 8} m/sec?) und besitzen auch
bezüglich des letzten säkularen Unruheminimums (etwa bei 1925) vermutlich
noch genug persönliche Erinnerung, um zu wissen, daß der Wind in der freien
Ebene auch da nicht gefehlt hat.
Da sämtliche Kurven unserer Abbildung im ihrem unteren Teile, wenn schon
nicht konkav nach oben, so doch höchstens linear und nicht umgekehrt gekrümmt
verlaufen können, so halten wir uns berechtigt auszusagen, daß die mittlere
Windgeschwindigkeit in den tiefsten Schichten durchschnittlich wohl bis auf den
doppelten und halben Betrag ihrer säkularen Gegenextreme variiert! Solches
aber entspricht nicht weniger als dem 4 und 8fachen bzw. dem 4} und
ıfachen des dann herrschenden mittleren Winddruckes und der auch
nur in den tiefsten Schichten von diesem geleisteten Arbeit, z.B. beim
Staub- oder Schneefegen oder auch bei Verdunstung.
Ohne die praktische Bedeutung dieser aus unserem Diagramme abzuleitenden
neuen Einsicht hier noch besonders hervorheben zu wollen, erkennt man jeden-
falls deutlich, daß man es bei den säkularen-kleinklimatischen Windunterschieden
mit Erscheinungen zu tun hat, die im höchsten Grade überraschen! So wenig
exakt die extrapolatorisch erschlossenen Windwerte der Niederung auch sein
mögen, die alten Vorstellungen von den „kaum“ oder „gerade noch“ nachweis-
baren säkularklimatischen Unterschieden sind auf das Windklima der tiefsten
Lagen durchaus nicht anwendbar! Man begreift daher, welch hohe und primäre
Bedeutung der säkularen Variation inneratmosphärischer Scheinreibung oder
Turbulenz, Fließbarkeit, das wäre Windgeschwindigkeit und mit ihr auch einer
mittleren Winddrehung in der Niederung für die Ausbildung gleichlaufender
Schwankungen auch anderer meteorologischer Elemente dortselbst zukommen muß.
Daß man mit der sehr mühsamen Untersuchung säkularer Wellen von
Temperatur und Druck begonnen hatte und damit zu keinem greifbaren Ziel
gelangte, wird durch das Studium der thermodynamisch nicht zu begreifenden
mittleren Windänderungen erst jetzt auch verständlich. Die säkular prozentuellen
Unterschiede der mittleren Windgeschwindigkeit sind es, welche im tiefstgelegenen
Luftraume scheinbar die größten langjährigen Klimaunterschiede hervorrufen,
die für ein und denselben Ort nur überhaupt denkbar sind?®), Von wesentlicher
Bedeutung ist da beim Erkennen der Windänderungen die Unterscheidung zwischen
prozentuellen und bloß absoluten Unterschieden säkularer Gegenextreme. (Von
den absoluten wissen wir, daß diese von der virtuellen Deckfläche der allein
säkular aktiv zu nennenden, bloß etwa ein Prozent der gesamten Atmosphäre
ausmachenden Zone ab in umgekehrter Richtung in dem ganzen „getragenen“
Luftraume weiter bestehen.‘ Die prozentuellen Unterschiede hingegen nehmen
der allgemeinen Windzunahme mit der Höhe wegen naturgemäß sehr schnell ab,
Trotzdem sind es letztere, welche je nach den lokalen Umständen die Erdober-
Mäche in mehr oder weniger auffallender Art säkular variabel beeinflussen.)
Für. die säkular extremen Zunahmekurven oberhalb des „neutralen“ Niveaus
ist abgesehen von der mehr oder weniger schnellen Windzunahme mit der Höhe
die schon vorerwähnte Krümmungsdiskontinuität besonders charak-
teristisch. Diese ist notwendig zu erschließen und muß bei etwa 100 m rel. in
doppelter Höhe des besagten Niveaus liegen, da durch den säkular veränderten
2) Siehe Meteor. Zschr, 1938 S. 370. — 3) Nicht nur zum näheren Verständnisse des säkularen
Prozesses selbst, sondern auch zum vollen Erfassen seiner landwirtschaftlichen Bedeutung wäre es sehr
zu wünschen, wenn man außer langjährigen Registrierungen von subjektiven Windschätzungen und
Robinsonscher Schalenkreuzanemometer auch über eben solche von Dinesscher Druckanemometer ver-
fügte! Die neue Aufnahme solcher in tiefen Lagen scheint sich daher dringendst zu empfehlen.