_ Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Juni 1941,
Auf allen Karten, besonders aber auf der Jahreskarte dieses Abschnitts fällt
der überaus gleichmäßige Verlauf der Linien gleicher Kontinentalität über
Europa auf. Die Linien verlaufen im großen und ganzen von SSW nach NNE,
sie gehen in Nordeuropa parallel der norwegischen Küstenlinie, während in
Westeuropa die Küsten geschnitten werden; auch die Ostsee wird in annähernd
sgüdnördlicher Richtung überquert, Lediglich über dem Skagerrak zeigen die
Linien eine leichte Ausbuchtung nach Östen, in nennenswertem Maße allerdings
auch nur im Winter,
Dieser Verlauf und die geringe Anpassung der Linien gleicher Kontinen-
talität an die Küstenlinien Europas kann vom klimatologischen Standpunkt
wenig befriedigen, Es ist z. B. nicht anzunehmen, daß der Kontinentalitätsgrad
in Mittelfrankreich genau 80 klein ist wie an der niederländischen Küste, bei
Bornholm nicht geringer als in Süddeutschland, Das würde allen klimatolo-
gischen Erwägungen und den bisherigen Forschungen widersprechen, Auch die
von RB. angeführten Autoren!) bringen ja auf ihren Karten die stärkere Kontinen-
talität des europäischen Kontinentalrumpfes gegenüber den eingreifenden Meeres-
teilen, speziell der Ostsee, gut zum Ausdruck, Letzteres gilt auch für Spitaler,
den B. allerdings als am besten vergleichbar hinsichtlich der Linienführung mit
seiner Jahreskarte heranzieht, Auf Spitalers Karten findet man aber z.B, in
der südlichen Ostsee bis nach Gotland einen Kontinentalitätsgrad von weniger
als 30% gegenüber 45 bis 50% in Süddeutschland, seine Linien gleicher Kontinen-
talität, die sich dem Küstenverlauf angleichen, werden im Ostseegebiet nahezu
senkrecht von den Linien Bergs geschnitten, EB, bringt selbst eine Vergleichs-
karte, die aber nur den Verlauf der 25%- und 50%-Linien bei den verschiedenen
Bearbeitern zeigt?)
Man kann nun fragen, wodurch diese geringe Übereinstimmung zwischen B.
und den übrigen Autoren — die B, als ein Hauptergebnis seiner Untersuchung
betrachtet — zustande kommt, Zunächst möchte man vermuten, daß die Zahl
von 39 europäischen Stationen, die den Karten zugrunde liegen, noch zu gering
war, um eine feinere Linienführung zu ermöglichen. Trotzdem wäre aber wohl
anzunehmen gewesen, daß die besondere klimatische Stellung der südlichen und
mittleren Ostsee schon bei diesem geringen Material stärker zum Ausdruck ge-
kommen wäre. Verf. möchte diese Unstimmigkeit vielmehr auf den Luftkörper-
begriff als solchen zurückführen und dabei erneut auf gewisse Schwierigkeiten
in seiner Anwendung bei klimatologischen Untersuchungen hinweisen, (2).
Wie B. an einer Stelle selbst bemerkt, „liegt es im Wesen des Luftkörper-
begriffes, daß Umwandlungen eines Luftkörpers in einen anderen stattfinden,
daß also kontinentale Luft zu maritimer wird und umgekehrt, wenn ursprünglich
maritime Luft längere Zeit über das Festland fließt oder über dem Festland
stagniert“, Eine solche Umwandlung braucht aber nicht einmal die ganze Luft-
masse zu umfassen, sondern kann sich oft auf eine geringe Schichtdicke, vielleicht
nur auf eine „bodengestörte Schicht“ (nach einem in der Synopsis gebräuchlichen
Ausdruck) erstrecken. Wenn im Winter beispielsweise PM (nach der Klassifikation
von Linke) in Norddeutschland eingedrungen ist und in diesem Luftkörper etwa
infolge Absinkens Aufklarung eingetreten ist, wird es über dem Binnenlande
schon zu starkem Frost kommen; die Küstenorte werden jedoch vielleicht nur
geringen oder gar keinen Frost verzeichnen. Dieser maritime Luftkörper zeigt
dann in seinen bodennahen Schichten über dem Binnenlande bereits den Aus-
druck starker thermischer Kontinentalität, An etwas Ähnliches hat auch BE.
gedacht, wenn er von „Totlufträumen“ im Lee des Skandinavischen Gebirges
spricht, „in denen die Luft stagniert und damit indifferent und schließlich
kontinental wird“,
iS
2%
21) Hier ist noch die Arbeit von Ch. Maisel (s) Bachzutragen, die den von Berg bei den übrigen
Autoren mit Recht beanstandeten Einfluß der Höhenlage auf den Kontinentalitätsgrad ausschaltet. —
2) Diese Vergleichskarte enthält eine zT. unrichtige Eintragung der Grenze zwischen GC. und D-Kli-
maten (nach Köppen): über dem Europäischen Nordmeer grenzen die C.Klimate an die E-Klimate
(nicht D), diese Grenze folgt außerdem der 10°-Isotherme des wärmsten Monats und berührt erst viel
weiter nördlich die Grenze zwischen C und D, die der — 3°-Isotherme des kältesten Monats entspricht (4).