Ann. d. Hydr. usw., LXIX. Jahrg. (1941), Heft VI.
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Die absolute Berechnung ozeanischer Ströme
nach dem dynamischen Verfahren.
Von A, Defant,
Unter obigem Titel hat K. Hidaka?). zwei Arbeiten veröffentlicht, in denen
eine Methode geboten wird, die nach dem Bjerknes-Helland-Hansen-Sand-
strömschen Verfahren berechnete relative Geschwindigkeitsverteilung
senkrecht zur Fläche zweier ozeanographischer Stationen auf absolute Werte
zu reduzieren. Da einer solchen Methode, falls sie sich als brauchbar erweisen
würde, eine außerordentliche Bedeutung zukäme, will ich auf die von K, Hidaka
angegebene Methode etwas näher eingehen.
Im wesentlichen Unterschied zur Meteorologie, in der der Luftdruck in
einem bestimmten Niveau mittels Instrumenten beobachtet und zahlenmäßig fest-
gestellt werden kann, kann in der Ozeanographie der Druck nur berechnet
werden, wobei als Ausgangswert stets der Seedruck Null im idealen Meeres-
niveau, das mit einer Niveaufläche des Geoids zusammenfallend gedacht wird,
angenommen wird. Da das physikalische Meeresniveau vom idealen abweicht
und nicht die Möglichkeit besteht, durch Messungen diese Abweichungen zahlen-
mäßig zu bestimmen, bezieht sich die vertikale Druckverteilung, die aus der
Massenverteilung zweier ozeanographischer Stationen berechnet werden kann,
auf das als „eben“ gedachte (ideale) Meeresniveau und die aus dieser Druck-
verteilung ermittelten vertikalen Geschwindigkeitsprofile sind relativ, d.h. sie
geben nur die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Niveaus,
Zur Überführung dieser relativen Geschwindigkeitswerte in eine absolute Ver-
teilung ist die Kenntnis der Tiefe einer „Bezugsfläche‘“ erforderlich, in der die
isobare Fläche mit einer Niveaufläche des Geoids zusammenfällt und Bewegungs-
losigkeit (Geschwindigkeit Null) herrscht?). Die Bestimmung der Topographie
einer solchen Bezugsfläche bietet stets große Schwierigkeiten, und es bleibt immer
mehr oder minder eine Annahme, in welche Tiefe man sie legt, die allerdings
näher begründet und wahrscheinlich gemacht werden kann. Eine andere Methode
als die der Wahl einer bestimmten Tiefe der Bezugsfläche hat es bisher nicht
egeben.
8°8 Bei der bekannten Ableitung der Bjerknes-Helland-Hansenschen Be-
ziehung nach dem Zirkulationstheorem und auch bei der Ableitung ähnlicher
Beziehungen direkt aus den Bewegungsgleichungen werden nur die hydro-
dynamischen Bewegungsgleichungen benutzt, und es läßt sich leicht überblicken,
daß man mit ihnen allein eben nur Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen ver-
schiedenen Horizonten bestimmen kann, nie aber die absolute Geschwindigkeits-
verteilung, Es liegt nun nahe, zu den hydrodynamischen Bewegungsgleichungen
noch die Kontinuitätsgleichung hinzuzunehmen; denn erst durch sie wird der
Zustand eindeutig festgelegt. Diesen Gedanken hat K. Hidaka aufgegriffen und
versucht, ihn in die Tat umzusetzen. Leider muß gleich hier gesagt werden, daß
sich die Methode in der angegebenen Form als praktisch undurchführbar
erweist und auch prinzipielle Bedenken vorhanden sind, die nicht gestatten,
die Kontinuitätsgleichung in der benutzten einfachen Form zur Ermittlung
absoluter Stromverteilungen heranzuziehen. Dies will ich im folgenden begründen:
Bezeichnet man die nach der Bjerknes-Helland-Hansenschen Beziehung
aus den Werten eines Stationspaares berechnete relative vertikale Geschwindig-
keitsverteilung mit u (z) und mit C den Wert an der Meeresoberfläche (z=0),
dann ist die absolute Geschwindigkeitsverteilung gegeben durch
{1) . vy(z)=C + u (2).
Zur Anwendung der Kontinuitätsgleichung betrachtet nun Hidaka ein Viereck,
4) K. Hidaka, Absolute Evaluation of Ocean Currents in Dynamical Calculations, Proc, Imp.
Acad. Tokyo, Vol, XVI, Nr. 8, 1940. — Derselbe, Practical Evaluation of Ocean Currents, ebenda
Nr. 16, — %) Näheres hierüber siehe A, Defant, Die absolute Ka des physikalischen Meeres-
niveaus und der Druckflächen sowie die Wasserbewegungen im Raum des Atlantischen Ozeans. Wiss.
Erg. der Deutsch, Atl, Exp. des „Meteor“ 1925/27. Bd. VI/I. 5. Lief, Berlin 1941.
Ann. d. Hydr. usw. 1941, Heft, VI.