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Full text: 68, 1940

Wundt, W.: Die Wasserdampfverfrachtung über Mitteleuropa im jährlichen Gang. 351 
zum Abfluß geht über den Niederschlag; in diesem wird zunächst mehr aus- 
geschieden, als nachher im Abfluß erscheint. Der Unterschied zwischen N und A 
wird dem allgemeinen ins Land hineinziehenden Dampfstrom als Verdunstung 
V=N—A zurückgegeben. Es ist’ ohne weiteres einzusehen, daß die Menge des 
ausgeschiedenen A und des in Dampf zurückverwandelten V gegen das Land- 
innere immer mehr wachsen muß (ebenso ZN= ZA -+ZV), während die „reine“, 
a. h. unmittelbar vom Meer stammende Dampfmenge abnimmt. Auf diese Art 
entsteht ein gegen das Innere des Festlandes breiter werdender Abflußkeil und 
Verdunstungskeil, die zusammen den Niederschlagskeil bilden, Mit zunehmendem 
Landweg wird nun die Luft (im Jahresmittel) so trocken, daß sie keinen Ab- 
Außüberschuß A4=—=N-—V mehr zu bilden vermag. Es wird also A annähernd 
Od und N annähernd gleich V, Damit sind wir an der klimatischen Trocken- 
zrenze angelangt, von der ab der Wasserkreislauf nur noch im Wiederverdunsten 
des gefallenen Regens besteht, Da kein weiterer Zuwachs für ZA mehr kommt, 
muß die Wasserdampfverfrachtungslinie hier in die Horizontale umbiegen, — 
Wie wird sieh nun das Bild bei Betrachtung der einzelnen Jahreszeiten ändern? 
Im Sommer wird der Verdunstungskeil breit, der Abflußkeil schmal; auch der 
ron beiden zusammen gebildete Niederschlagskeil nimmt an Breite zu, Dies ist 
wohl so zu denken, daß der Yerdunstungskeil sich nach beiden Seiten hin (in den 
Pfeilrichtungen der Figur) ausdehnt, Außerdem werden die Dimensionen der 
Figur wegen des höheren Wasserdampfgehalts der Luft in vertikaler Richtung 
anwachsen. Wenn wir von der Vorstellung ausgehen, daß sich vermehrte Ver- 
dunstung nach einigen Tagen (in den Tropen schon an einem Tag!) in vermehrten 
Niederschlag umsetzt, so muß die Verbreiterung des Verdunstungskeils haupt- 
sächlich nach unten erfolgen; wie weit sie nach oben auf Kosten des Abfluß- 
keils erfolgt, hängt von den Angriffsmöglichkeiten für die Verdunstung (Wasser- 
flächen, Pflanzenbedeckung, Durchlässigkeit) ab. — Umgekehrt muß der Ver- 
dunstungskeil (unter gleichzeitiger Wiederabnahme der vertikalen Dimensionen) 
im Winter zusammenschrumpfen und dem Abflußkeil einen größeren Raum 
zur Entfaltung übrig lassen. Dieses fächerartige Auseinandergehen und Schrumpfen 
des Verdunstungskeils hat aber auch bedeutsame Folgen für die Lage der 
Trockengrenze: Diese Grenze, im Sinne eines unmerklich klein werdenden Ab- 
flusses, wird im Winter über dem Festland in den meisten Fällen gar nicht mehr 
erreicht; die ariden Gebiete werden vorübergehend in den Zustand der humiden 
übergeführt. Umgekehrt werden im Sommer sehon in geringer Entfernung 
vom Meer Verhältnisse hergestellt, wo kein Abfluß mehr neu erzeugt wird, 
wenn auch die Flüsse mit Hilfe der Bodenvorräte noch einige Zeit weiter 
fließen (wiederum bilanzmäßig für die Monate, nicht für den Einzelniederschlag 
betrachtet), Da der Verdunstungskeil sich nach oben und unten ausbreitet, 
überdeckt er nicht bloß den Abflußkeil, sondern ruft darüber hinaus negativen 
Abfluß oder Aufbrauch von Rücklagen hervor, Dieser Prozeß erschöpft sich 
aber im Lauf des Sommers, da die Vorräte der Verdunstung immer schwerer 
zugänglich werden und die Pflanzendecke am Ende ihrer Entwicklung nicht 
mehr soviel Wasser benötigt. Der Verdunstungsfächer zieht $ich also wieder 
zusammen; seine obere Begrenzung verläuft beim Gleichgewicht zwischen Ver- 
dunstung und Niederschlag zunächst horizontal. Gegen den Herbst tritt dann 
allmählich der Abflußkeil wieder in Erscheinung; die Verdunstung nimmt infolge 
der sinkenden Temperatur ab und dadurch dreht sich auch die untere Begrenzung 
des Fächers nach oben, wodurch die Grenze der Abflußlosigkeit (Trockengrenze)} 
landeinwärts verlegt wird, — Die geschilderten Zustände stehen im Einklang 
mit dem zeitlichen Verhalten unserer Flußgebiete nach Tab, 3. Der Jahres- 
yang von Z—E zerfällt bei der großen Mehrzahl unserer Flüsse in drei deut- 
lich geschiedene Abschnitte. Der weitaus längste Abschnitt umfaßt die Monate 
September bis April mit erheblichem Zufuhrüberschuß im Luftraum, der sich 
teils in Abfluß, teils in Speicherung am Boden umsetzt; diese Monate bestimmen 
auch die durchschnittliche räumliche Verteilung, die Abb. I für die Wasser- 
dampfrerfrachtung zum Ausdruck bringt. Zwischen die 8 Monate langen Haupt- 
abschnitte sind die zwei kleineren Abschnitte Mai/Juni und Juli/August eingelagert,
	        
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