350 Annalen. der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1940.
eingeleitete zyklonale Bewegung nur die untersten Schichten erfassen, Dem-
entsprechend liegt die Windrichtung von dem Erdboden bis 500 m Höhe zwischen
Nord und Nordwest, darüber immer näher bei West (demuach eine Links-
drehung, entgegen den normalen Verhältnissen), Es besteht also eine selb-
ständige Zirkulation der unteren Schichten, die, was sehr zu beachten, mit einem
gleichzeitigen Minimum Jes Windvektors verbunden ist; auch die Reinheit der
Atmösphäre im Frühjahr trägt dazm bei, daß die Strahlung am Boden besonders
wirksam ist, Erst im Juni erfolgt eine Angleichung der Nordwestströmung
unten an die Westströmung oben, mit gleichzeitigem Wiederanstieg der Wind-
geschwindigkeit — ein Zeichen dafür, daß sich der Zustrom feuchter Luft vom
Meere oder der Sommermonsun in allen Schichten durchzusetzen beginnt, Den
geschilderten Verhältnissen entsprechend wird der Luftkörper seinen Dampf-
hunger im Mai we-
sentlich aus dem Bo-
den, in den folgenden
Monaten in wachsen.
dem Maße durch Zu-
fuhr vom Meere her
stillen. Aber auch
dann findet eine
dauernde Wandlung
von Meereszufuhr
in landverdunsteten
Wasserdampf statt,
dessen Betrag ‚von
Westen nach Osten
wächst, bis sie
schließlich den gan-
zen Dampifgehalt der
Atmosphäre erfaßt,
Davon unabhängig
kann auf dem Wege
nach .‚Östen auch
neue Meereszufuhr
aus anderen Richtungen erfolgen, Einen deutlichen Fingerzeig in dieser Richtung
gibt der im Vergleich zum Westen geringere Ausfuhrüberschuß des Sommers in
den Gebieten der Warthe, Malapane, der obersten Oder und der Glatzer Neiße
(vgl. Tab. 3), Er weist, wie oben angedeutet, auf Zuströom feuchter Luft aus
dem Süden (auf dem YırWege) hin. Man kann aber noch einen Schritt weiter
gehen und sagen: Mitteleuropa hat In seinem Östteil außer dem Nordwestmonsun
noch einen zweiten Monsun, der sich der Zugstraße Yu bedient, Die zentralen
Teile Europas, räumlich bis zum Schwarzen Meer gedacht, bilden einen an Asien
angehängten Körper, der bis zu einem gewissen Grade selbständige Zirkulationen
auszulösen vermag, So dringt, von den feucht-warmen Luftmassen über dem
Mittelmeer genährt, zeitweise ein warmer Südstrom nach Ost-Mitteleuropa vor
und gleitet dort auf die kühleren vom Nordwestmonsun herangeführten Lult-
massen auf. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint das Hochwasserphänomen
in diesen Gegenden als das Ergebnis eines Kampfes zwischen einem eurasiatischen
Nordwestmonsun und einem Osteuropäischen Südmonsun, womit auch die Hart-
näckigkeit der Luftdruckverteilung bei diesen Hochwasserlagen beleuchtet wird.
Zum Schluß gebe ich ein erweitertes Bild der Wasserdampfverfrachtung
über dem Festland, das ich schon an anderer Stelle (s) entworfen habe; Ab-
bildung 1 zeigt hierzu für den Jahresdurchschnitt eine schematische Darstellung,
Im Mittelpunkt steht die Vorstellung, daß die vom Meer her kommende feuchte
Luft, wenn. wir längere Zeiträume betrachten, in einer resultierenden Richtung
das Festland. überquert und diese nur stetig ändert, Dabei wird ein Teil des
Wasserdampfes in den Flüssen ausgeschieden, so daß die Wasserdampfrer-
f{rachtungslinie (Ss. Abb.) allmählich sinken muß. Der Weg vom Wasserdampf
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