Skip to main content

Full text: 68, 1940

342 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Oktober 1940, 
Bordtheodoliten, der noch heute auf Dutzenden von Seeschiffen ein Beweis seiner 
praktischen Einstellung ist, mit der Wolkenkamera und dem Polariskop oder 
mit dem Eisbohrer und dem Umsteckthbermometer betrieb. Man muß erlebt 
haben, mit welcher Freude er schon in seiner Marburger Vorlesung gelegentlich 
von Kunstgriffen berichtete, wodurch ihm Messungen und Aufzeichnungen in der 
Arktis gelangen, die bis dahin unmöglich schienen. 
Diese unmittelbare Art, die Natur messend zu befragen, verlieh ihm den Mut, 
auch mit Ergebnissen hervorzutreten, die in schroffem Gegensatz zu den bis 
dahin herrschenden Anschauungen standen. 
Noch wurde nicht über Alfred Wegener als Expeditionsmann gesprochen. 
Wenn es Fälle geben mag, wo ein tüchtiger Wissenschafter draußen im Felde 
unter schwierigen äußeren Umständen versagt, oder im Gegenfall der Forscher 
durch den Abenteurer überwuchert wird, so liegt das Geheimnis A, Wegeners 
in seiner wunderbaren Ausgeglichenheit, wie wir sie nur bei den großen Expe- 
ditionsmännern der Geschichte kennen. Er war unterwegs auf Expedition stets 
derselbe wie zu Hause, mochten die äußeren Umstände auch so verschieden wie 
möglich sein, Wie ich meine, liegt die Ursache dafür in dem völligen Fehlen 
von Eitelkeit. Wer so wie Wegener jede Sache nur um ihrer selbst willen 
betreibt, ohne sich selbst darin zu spiegeln, der wird die Schwierigkeit, die sich 
atwa für Wegener am Schreibtisch bei der theoretischen Behandlung der kom- 
plizierten Temperaturverhältnisse im Eis unter der Winterstation Borg (1912 bis 
1913) ergab, ebenso als zu überwindendes Hindernis für die Erkenntnis empfinden 
und darauf reagieren, wie Schneesturm und Nebel auf dem Inlandeis Grönlands, 
die die vorgesehenen Messungen oder Reisen behindern. 
Eine besondere Freude bot die Expeditionstätigkeit dadurch, daß Wegener 
sich seinen handwerklichen Neigungen überlassen durfte, die ihm zu Hause seine 
angespannte wissenschaftliche und Lehrtätigkeit immer mehr versagte, nachdem 
sie einen so schönen Niederschlag in seinen Versuchen zur künstlichen Nach- 
bildung der Mondkrater gefunden hatten, Noch während der Vorbereitung der 
Vorexpedition nach Grönland 1929, also 15 Jahre, nachdem er den letzten Hunde- 
schlitten gesehen hatte, konnte er dessen Maße und Einzelheiten des Baues so 
genau angeben, daß damals in Deutschland Schlitten nach seinen Angaben gebaut 
wurden, die später vor den Augen unseres grönländischen Kameraden Johann 
Davidson Gnade fanden und sogar von ihm bevorzugt wurden. Auch Wege- 
ners Skizzen zu dem von ihm erdachten Zelthaus mit dreifacher Wand!) zeigen 
seine selbst bei den schwierigsten Fragen stets konkrete, sachgemäße Einstellung. 
Sie wird dadurch unterstrichen, daß Wegener bereits in seinem maßgebenden 
Expeditionsplan von 1928?) geschrieben hatte: „Das Gesamtgewicht dieses Hauses 
darf nur 500 kg betragen.“ Das völlig nach seinen Angaben im Frühjahr 1930 
gebaute Haus wog tatsächlich nach der Fertigstellung fast auf das Kilogramm 
genau 500 kg%4! 
In gleicher Richtung geht sein Bestreben, im offiziellen Expeditionsplan nur 
solche Arbeiten zu veröffentlichen, die nach menschlicher Voraussicht auch dann 
noch erfüllt werden können, wenn unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten, 
während es sein Stolz war, bei normalem Ablauf der Dinge das veröffentlichte 
„Mindestprogramm“ zu übertreffen, 
Diese Treue zur Sache, d. h. zum wissenschaftlichen Ertrag seiner Expeditionen, 
und zu seinen Kameraden, geübt bei der „Danmark“Expedition 1906 bis 1908 
und derjenigen mit I, P, Koch 1912 bis 1913, zeigt sich am klarsten bei Wegeners 
Herbstreise 1930 nach Eismitte, als mehrfach schwerwiegende Abänderungen vor- 
heriger Pläne erforderlich wurden, Seine Tagebücher vom Sommer 1930 lassen 
erkennen, wie schwer ihm, dem begeisterten Schlittenreisenden*) der Verzicht auf 
[nlandeis-Reisen. gefallen war, weil ihn bis jetzt seine Aufgaben als Expeditions- 
4y Siehe das Faltblatt am Schlusse von: Georgi, Im KEise vergraben. München 1933. — 
3 Denkschrift über Inlandeis-Expedition nach Grönland, „Deutsche Tozschung‘, Heft 2, 1928, 
Vollst. Abdruck in 2%), 5. Aufl, 1940, S. 230.—254. — % Wüährend z.B. das Haus der Weststation, 
das ohne solche besonderen Anweisungen Wegyeners durch eine Firma erbaut wurde, schließlich 
statt. 5000 kg deren 9000 Re wog. — *) A. Wegener, Mit Motorboot und Schlitten in Grönland. 
Bielefeld u. Leipzig 1930 (Vor-Expedition},
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.