354 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, September 1940.
auf von außen wirkende Reizwirkungen nach, so deutet das ebenfalls auf
krankhafte Erscheinungen, wie etwa die Lichtunterempfindlichkeit bei UV-Be.
strahlungen®). Etwas Ähnliches sehen wir in der Verminderung der Strahlungs-
intensität. bei zunehmender Sonnenhöhe vor einer Wetiterverschlechterung %),
So wie größere Ultraviolettstrahlung bei erhöhter Sonnentätigkeit chemische Um-
getzungen*) in den höheren Schichten der Atmosphäre hervorruft?), so beob-
achtet man gleiches beim menschlichen Blute, wo beispielsweise Blutkörper-
suspensionen durch UV-Bestrahlungen hämolysiert werden“),
Auch die verschiedenartigen Erscheinungen. des Fiebers lassen Entsprechendes
auf seiten der Meteorologie erkennen. Da verrät z.B, das Thermogramm eines
„Aprilwetter“- Tages mit seinem für Schauerwetter charakteristischen Auf und Ab
der Temperatur dem Fachmann sofort die Anwesenheit instabiler Schauerluft,
ähnlich wie die gezäckte Fieberkurve auf iyphus abdominalis hindeutet, Das
kontinuierliche Fieber ist durchaus der Luftdruckkurve in einem ausgedehnten
Hochdruckgebiet ähnlich, das remittierende Fieber hat im fallenden Luftdruck
zu Ende eines Hochdruckgebietes, das sich nachts immer wieder kräftigt, aller-
dings nicht mehr die Stärke des Vortages erreicht, sein Abbild,
Wetterrhythmen “) sind den Anfällen bei Malaria tertiana vergleichbar, und
die Wellen Weickmanns sind den Menses-Spatien ähnlich*), Und selbst für
die Spiegelungspunkte des Meteorologen können wir den Menschen heranziehen,
wenn der Höhepunkt seines Lebens als Symmetriepunkt aufgefaßt wird, von
dem aus die körperlichen und geistigen Leistungen nach beiden Seiten hin ab-
fallen! Wenn der Arzt endlich zwischen Jugend und Alter unterscheidet, so
tun wir das auch, wenn wir von frischer und gealterter Luft sprechen. Oft
sagt man, daß starke Naturen eine Krankheit besser überstehen, nichts anderes,
als wenn ein kräftiges Hochdruckgebiet über Mitteleuropa einer andringenden
atlantischen Depression besser standhält als ein schwaches Zwischenhoch. Was
Umgebungseinflüsse bewirken, ist nicht nur beim Menschen deutlich festzustellen.
Ein. sommerliches Hoch hat viel eher somiges Wetter im Gefolge als eine
winterliche Antizyklone, die um vieles stärker sein kann. Der Arzt spricht oft
von meteorotropen Krankheiten, auch wir kennen diese Erscheinung vom Vor-
wiegen bestimmter Wetterlagen zu gewissen Jahreszeiten, wie etwa die Yb-Wetter-
lage im Frühling und Spätsommer Mitteleuropas, die vielleicht in mancher
Beziehung nochmals an die Singularitäten erinnert, Und wenn wir größere
Zeiträume, als Jahreszeiten es sind, überschauen wollen, so haben auch hier die
großen Klimaschwankungen ähnliche Schwankungen bei den Epidemien?) und
Pandemien®), Letzten Endes lassen sich aber selbst für die vier Temperamente
im Wettierablauf der Erde entsprechende Erscheinungen aufdecken; schafft nicht
das heitere Etesienklima®) Griechenlands heitere Frohnaturen, und mutet nicht
das Klima Nordnorwegens phlegmatisch an mit seinem nahezu ewigen Einerlei
der Temperatur und Bewölkung?
Bei näherem Zusehen ließen sich gewiß noch viele Einzelheiten finden, die
die Verwandtschaft zwischen Meteorologie und Medizin erkennen lassen und die
es dem Mediziner erleichtern mögen, sich in unserer Wissenschaft heimisch zu
fühlen, beweisen doch gerade die Veröffentlichungen der letzten Jahre, daß
immer mehr Jünger Äskulaps sich mit Wetiterfragen befassen. Wenn diese
Zeilen dazu beitragen könnten, daß einmal ein Arzt von seiner Warte aus zur
Meteorologie Stellung nimmt, So haben sie ihren Zweck erfüllt!
Gerhard Schindler, Podersam (Sudeten).
2%, Erich Wellisch: Die Quarzlampe, 1932, 8. 65, — *j Luis de Gasperi: Die Messung
der Sonnenstrahlung als Hilfemittel zur lokalen Wettervorhersage, Zeitschr. 1. anyew. Meteor, „Das
Wetter“, 1934, 5, 40 ff, — ®) Inigo Jones: Seasonal Fore casting, Brisbane 1931, Meteorologr as
A Branch of Astronomy, S. 61, — %, Miguel Selga: El Meiodo de Angor en Ja elnsifieaei6n de
los Veranos de Filipinas, 1931, 8. 12. — 4) H, Kocppe: Arch, Kinderheilkunde, 1929/2, — %, Gustar
Swoboda: Grundbegriffe der Wetteranalyse, 1932, 5. 9%. — % Wilhelm Fließ: Ablauf des Lebens,
1923. — #) Hans Hermann Kritzinger: Todesstrahlen und Wünschelrute, 1929, 8, 106 ff. —
®, Rudolf Mewes: Kriegs- und Geistesperieden im Völkerleben, 1923, 5.304 — %*) Wladimir
Köppen: Die Klimate der Erde, 1923.