Kleinere Mittelungen,
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Manchen Krankheiten geht eine Inkubation voraus, Dasselbe zeigt sich bei
Tiefdruckgebieten, denen erst die bekannten Erscheinungen wie Halos®), Cirrus-
schleier oder gute Sicht® vorangehen, ehe es zu eigentlichem Schlechtwetter
kommt. Wie bei manchen Krankheiten die Virulenz der einzelnen Bakterien
schwankt, so machen auch wir eine ähnliche Beobachtung bei den Gewittern
hinsichtlich der Blitzgefahr!®, Wenn es bei manchen Krankheiten wiederum
kritische Zeiten gibt, so kann auf meteorologischem Gebiete die Singularität ins
Treffen geführt werden: treten bestimmte Witterungstypen nicht zum ersten
Zeitpunkte, an dem sie „fällig“ wären, ein, so doch zum zweiten oder dritten
Termin gleicher Art!), Wenn der Arzt davon spricht, daß jemand mehr als
ein anderer dazu inkliniert, eine Krankheit zu bekommen, so ist uns diese Tat-
sache abermals von den Singularitäten her bekannt. Wer kennt nach den ein-
gehenden Forschungen Schmauß’ nicht die Bereitschaft einzelner Tage zu ganz
bestimmten Wetterlagen, von denen die yorausgehenden und nachfolgenden Tage
verschont bleiben, verschont hier im guten und schlechten Sinne? Dem Verfasser
gelang es, a. a. ©, drei Singularitäten der Temperatur?) aus dem Beobachtungs-
material seiner Station nachzuweisen?®), die sich aber indessen auch in benach-
barten Gebieten noch sehr deutlich zeigten. Sicher ist auch, daß solche
Singularitäten nicht nur bei der Temperatur, sondern auch bei anderen Wetter-
elementen nachzuweisen sind. Die Singularität bietet die Möglichkeit, gleich-
zeitig wieder von der Erbmasse bestimmter Tage zu sprechen, bei denen die
Singularität diese darstellt, Und wenn einmal eine Singularität verschwindet,
am vielleicht im folgenden Jahrzehnt abermals an der gleichen Stelle oder nur
unweit davon im Kalender wieder aufzutauchen!*), so haben wir es hier eben
mit einer „Mutation“ zu tun.
Rückfällen bei Krankheiten entsprechen ähnliche Erscheinungen in der
Meteorologie: einem Frühgewitter folgen oftmals am gleichen Tage trotz vor-
übergehender Abkühlung noch weitere Gewitter. Das Gewitter gestattet überhaupt
mehrfache Vergleiche mit biologischen Vorgängen. So unterscheiden wir bei
ihm positive und negative Blitzel®), denen auf der anderen Seite die Unter-
suchungen Schöners*) auf dem Gebiete der Geschlechtsbestimmung gegenüber-
stehen. Die Wahrscheinlichkeit für Gewitter nimmt erst bei Luftdruckwerten
von unter 770 (reduziert) in steigendem Maße zu, während sie über dieser Grenze
nahezu 0 beträgt!?), Auf medizinischem Gebiete findet sich ein Analogon im
Ansteigen der mittleren Monatstemperatur über 18°C, mit dem zugleich ein
rasches Ansteigen der Säuglingssterblichkeit verbunden ist).
Die Resonanzerscheinung der Genua-Zyklone?!®) findet eine Parallele im Zu-
sammenhang mancher Augenkrankheiten (Netzhautkrankheit) mit Nierenerkran-
kungen (Nephritis), Wenn die Reaktionsfähigkeit bestimmter Organe, zu denen
ja auch Haut und Nerven gehören, nachläßt, so deutet das auf erhöhte Krankheits-
bereitschaft des Körpers hin, wie etwa das Nachlassen der Reflexerscheinungen
(Pupille, Kniereflex) auf beginnende Nervenleiden. Auf meteorologischem Gebiete
kann dem gegebenenfalls das Nachlassen der Blaufärbung des Himmels vor
beginnender Wetterverschlechterung an die Seite gestellt werden, wie Verfasser
im Laufe der letzten Jahre zu beobachten Gelegenheit hatte, Läßt das Ansprechen
5) Gerhard Schindler: Polarbanden, Ringerscheinungen, gute Sicht und nachfolgendes Wetter,
Zeitschr. £. angew. Meteor. ‚Das Wetter“, 1933, 8. 283 ff. — 9%) Ludwig Weickmann: Bericht zur
25-Jahrfeier des Geophysikalischen Instituts der Universität Leipzig, 19385: Heinz Lettau, Der Collm
als Wetterzeichen und Wetterkünder nach den Bauernregeln der Oschatzer Pflege, S. 167 8, —
1) Albert Gockel: Das Gewitter, Kap. Die Blitzgefahr und ihre Schwankungen, 1925, S, 135. —
4) August Schmauß: Singularitäten, Spiegelungspunkte und Wellen, Meteor, Zeitschr 1940/3, —
2) Gerhard Schindler: Eine bemerkenswerte Singularität, Meteorolog. Zeitschr. 1939/6. —
*) Gerhard Schindler: Zwei Singularitäten im herbsilichen Temperaturverlauf NW-Böhmene,
Annalen d. Hydrogr. w. Maritim. Meteor, 1940, 8. 66 fl. — 14) August Schmauß: Synopti-che
Singularitäten, Meteor, Zeitschr. 1938/11. — 1°) Helmuth Heinze; Über schnelle Ladungsände-
rungen in Gewitterwolken, Annalen d, Hydrogr. u, Maritim. Meteor, 1936, 8, 129ff, — 2%) Otto
Schöner: Neue Wege der Geschlechtsbestimmung, „Kosmos“, 1934, S. 69, — « Martin Rode-
wald: Das norddeutsche Hochdruckgewitter vom 19, VIII, 1932, Annalen d. Hydrogr. u. Maritim,
Meteor, 1935, S.23 ff. — % F, Linke-B, de Rudder: Medizinisch-meteorologische Statistik, 1936:
Franz Baur: Grundbegriffe der mathematischen Statistik, 5, 35, — 2) Heinz v. Ficker: Wetter
und Wetterentwicklung, 1932, S. 93,