Model, Fr.: Das Oberflächengefälle als Teilproblem der Ostsee, 305
Bei der Auswertung wurde jeder Typ folgendem Rechenschema unterworfen —
s. als Beispiel die Rechnung für den Typ g in Tab. 1 —: Die Wasserstandszahlen
der Extrema und die der drei vorangehenden und die der drei nachfolgenden Tage
wurden so notiert, daß die der Extrema, mithin auch die des ersten, zweiten ....,
siebenten Tages, untereinander zu stehen kamen. Durch Addition und Mittel-
bildung wurde so für jeden Typ ein mittlerer Verlauf der Wasserstandsänderung
gewonnen. Die Tab. 2 enthält die Zusammenstellung der berechneten Werte für
jeden Typ. Insgesamt wurden 78 Fälle ausgezählt, Ohne eine formale Statistik
treiben zu wollen, müssen wir uns über den Erfolg der Berechnung kurz orientieren.
3. Jeweils auf das Wasserstandsmittel aus dem ersten und siebenten Tag
bezogen, erreichen die Extrema im Mittel aller Fälle folgende Größe:
Marienleuchte Hangö
Maximum ...... + 38395 mm + 21.3 mm,
Minimum ...... —41.0 mm — 18.6 mm.
Wie oben erwähnt, verhalten sich die Extrema Hang6ö:Marienleuchte wie 1:2,
d.h, die Ausschläge in der Kieler Bucht sind doppelt so groß wie die in Hangö.
Ferner zeigt sich eine Gegenläufigkeit: das Wasser fällt in der Bucht tiefer als
es steigt, während es in Hangö höher steigt als es fällt. Diese Feststellung steht
in Übereinstimmung mit der von Meißner (6) aufgezeigten Gesetzmäßigkeit, daß
das Verhältnis: Höchstes Hochwasser zu Niedrigstem Niedrigwasser?) im Westen
0.83, im Osten 1.47 beträgt. Die entsprechenden Verhältniszahlen sind bei uns
0.96 und 1.14, wobei wir allerdings alle HW und alle NW erfaßt haben, während
Meißner nur die „höchsten“ und „niedrigsten“ Extrema benützt hat. Die quali-
tative Übereinstimmung läßt die „Realität“ unserer Zahlen erkennen, Wir
fragen jetzt nach der Bedeutung dieser Zahlen für den Wasserhaushalt der
Ostsee. Von zwei Zyklonen gleicher Intensität möge eine nördlich und eine
südlich der Linie Borkum—Archangelsk nordostwärts ziehen, Die eine wird ein
NW, die andere ein HW in der Kieler Bucht erzeugen, Das NW wird dabei
nach unserer Berechnung kräftiger als das HW sein, denn beide stehen im Ver-
hältnis 0.96. Die Kieler Bucht wird also mehr leergepumpt, als sie im anderen
Falle aufgefüllt wird. Unter Vernachlässigung der Wasserstandsschwankungen
im Kattegat herrscht also ein größeres einwärts-*) statt auswärtsgerichtetes
Gefälle. Beachtet man weiterhin, daß der Tiefenstrom einwärts und nur in den
seltensten Fällen auch auswärts gerichtet ist, durch den gesamten Querschnitt
der Belte also Wassermassen einwärts-, aber nur durch einen Teilquerschnitt
auswärtsströmen können, so folgt aus dem oben berechneten Verhältnis der HW
zu den NW, daß eine größere Wassermenge in die Ostsee hinein- als aus ihr
herausflieben kann, Das Auftreten von HW und NW bedeutet also für die
Ostsee, daß sie durch die Wasserstandsschwankungen eine Zufuhr von salz-
reichem Wasser erhält und sich anfühlt. Aus Kontinuitätsgründen muß zu
normalen, ungestörten Zeiten also bevorzugt ein auswärtssetzender Strom vor-
handen sein; wir kömmen weiter unten nochmals auf diesen Punkt zurück.
Ob in dem umgekehrten HW ;NW-Verhältnis in Hangö nur eine Kompen-
sationserscheinung zu sehen ist und welche Bedeutung dies für den Wasser-
austausch zwischen Bottensee und Ostsee hat, kann noch nicht überblickt werden,
4, Im Mittel aller Fälle treten die Extrema nach 1.5 Tagen am anderen Ende
der Ostsee auf, Das entspricht einer Wanderungsgeschwindigkeit von rund
28 km/h. Es liegt nahe, die Wanderung der Wasserberge und -täler als Fort-
pflanzung einer freien Schwingung aufzufassen. Nach den Untersuchungen von
Dubor®) (1) haben die Seiches der Ostsee folgende Schwingungsdaner:
—_ I
1kvotig | 2 knotig | Sknotig
, 1
Dänische Küste— Ende Botten-Busen....... | 48h | 24h | —
Dänische Küste-— Ende Finnischer Busen... 30h | 24h 13h
4, Über die willkürliche Definition „höchstes NW“, „mittleres FIW“ usw. 8, {6). — 4) „Einwärte“
bedeutet immer rom Kattegat in die Ostsee, „auswärts“ von der Ostsee ins Kattegat. — *%) Siche auch
Endrös (2) und Witting (16).
Ans. d. Aydr. asw. 1940, Heft IX,