Lotz, K.: Über Trajektorien der Luft und deren Divergenz.
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Über Trajektorien der Luft und deren Divergenz.
Von Karl Lotz,.
(Hierzu Tafel 16 mit Abb. 1 bis 8 und Tafel 17 mit Abb. 15 bis 18 und 23 bis 27.)
1. Einleitung,
Zur Kennzeichnung einer Wetterlage bedient man sich vorteilhaft außer
einer Karte der augenblicklichen Druckverteilung an der Erdoberfläche oder
in einem anderen Niveau auch der Darstellung der Stromlinien in dem betref-
fenden. Gebiet, Aufgezeigt wird bei beiden der Zustand der meteorologischen
Elemente zu einem bestimmten Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der zeitlichen
Veränderung. Druckfeld und Strömungsfeld sind jedoch ständig zeitlichen Ver-
änderungen unterworfen, wobei die Veränderungen des einen Feldes Verände-
rungen des andern hervorrufen derart, daß stets die allgemeine Bewegungs-
gleichung erfüllt ist. Diese lautet für reibungslose Bewegung:
+2 PoP+20X Bl g=0,
wo 3 die Geschwindigkeit, v,p den räumlichen Druckgradienten, o die Dichte,
2 [1 > %] die ablenkende Kraft der Erdrotation (U = Winkelgeschwindigkeit der
Erde) und g die Schwerebeschleunigung bedeuten, Da im allgemeinen die auf-
tretenden. Vertikalbeschleunigungen vernachlässigbar klein sind, setzt man ge-
wöhnlich x Sl = —g, nimmt also quasistatische Verhältnisse an und schreibt
die Bewegungsgleichung für horizontale reibungslose Bewegung in der Form:
) + EPP+lxX0=0,
wo vb die horizontale Geschwindigkeit, pp den horizontalen Druckgradienten und
[vo die horizontale Komponente der ablenkenden Kraft der Erdrotation be-
zeichnen (= 2wsing-E @= U). Wäre das Drucksystem stationär, gäbe es
also am festen Ort keine zeitlichen Anderungen des Druckes oder der Bewegung,
dann wäre das Stromlinienbild eine umfassende Darstellung der Strömungs-
verhältnisse eines bestimmten Niveaus, z. B. der Erdoberfläche. Bei zeitlich
veränderlichen Feldern dagegen ist eine vollständige vierdimensionale, bzw. im
ebenen Felde eine dreidimensionale (Fläche, Zeit) Darstellung unmöglich. Für
solche Felder sagt eine Angabe der Luftbahnen oder Trajektorien mehr über
den Ablauf der Vorgänge aus als die Stromlinien, weil sie eine Vorstellung von
den zeitlichen Umgestaltungen vermitteln. Auch die Luftbahnen geben aber
kein vollständiges Bild, weil sie die Wege nur einzelner Luftpakete beschreiben
and eine Erfassung des gesamten horizontalen Stromfeldes unterbleiben muß.
Diese Trajektorien könnte man, ähnlich wie die Stromlinien durch Integration
der oben angegebenen Differentialgleichung (1) erhalten. Da aber die darin
vorkommenden Größen selbst noch unbekannte Funktionen der Zeit sind (man
kann z, B. keine exakte Aussage darüber machen, wie groß etwa eine Stunde
später der Druckgradient in einem bestimmten Punkt des Druckfeldes sein wird),
ist für solche Fälle eine Integration schon von vornherein unmöglich. Auch
für ein stationäres Feld, wo zeitliche Änderungen am festen Ort ausgeschlossen
werden, konnte noch kein Integral in geschlossener Form angegeben werden,
Es gibt aber trotzdem noch drei Möglichkeiten der Ermittelung von Tra-
jektorien (mit ihnen wollen wir uns im folgenden nur noch befassen). Die erste
ist, daß man den beobachteten Wind benutzt, also die von der Natur ange-
gebene Lösung der Differentialgleichung, Die zweite Möglichkeit ist, daß man
irgendeine Näherungslösung der Bewegungsgleichung sucht, und die driite, daß
man gewisse Druckfelder analytisch vorgibt, die eine Annäherung an wirklich
vorkommende Wetterlagen darstellen, für die aber eine Integration der Bewe-
gungsgleichung möglich ist, so daß man dann Aussagen allgemeiner Art machen
kann. Für die Untersuchung spezieller zeitlich veränderlicher Wetterlagen
scheidet die letzte Methode aus, doch werden wir später noch darauf zurück-
kommen. Es bleibt also noch außer der Benutzung der Windbeobachtungen
der Versuch einer Näherungslösung der Bewegungsgleichung.
Ann. 4. Hyer, usw. 1940, Heft VII