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Full text: 68, 1940

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. Annalen der Hydrographie. und Maritimen ‚Meteorologie, Januar 1940, 
Es verlohnt sich daher, seine vor nunmehr 83 Jahren vorgetragenen und ver- 
öffentlichten Ideen im Lichte der modernen dynamischen Klimatologie zu würdigen. 
Seine Gedanken sind unter recht unscheinbarem Titel und an versteckter Stelle 
publiziert („Meteorologische Untersuchungen“ von Dr. F. Vettin, vorgetragen in 
der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin am 2. und 16, Mai 1856; Annalen der 
Physik und Chemie, herausgegeben von J.C, Poggendorf, Bd. 99, Leipzig 1856, 
8. 106 bis 144, Tafel IIL mit 15 Figuren), . 
Vettin, gebürtiger Stettiner (geb. 24, Mai 1820), war von 1843 bis 1902 als 
prakt, Arzt in Berlin tätig. Er wurde Ehrenmitglied der Deutschen Meteoro- 
logischen. Gesellschaft, Am 20. April 1905 starb er in Dessau. W.Kööppen hat 
vor allem auf seine späteren Untersuchungen (Met. Z, 1884, 1886, Zeitschr. d. Dt. 
Ver, z. Förd. d. Luftschiff, 1885, 1886, A.d, Archiv der Dt, Seewarte 1888) hinge- 
wiesen und seine Persönlichkeit warm gewürdigt (Met, Z, 1905, 5. 358). Schon 
£857, also kurze Zeit nach Erscheinen der hier herangezogenen Arbeit führten 
Vs auf Experimente gegründete Gedankengänge zu Reibungen mit dem doktri- 
nären Dove, aus dessen. starrem Ideenbereich V. sich allmählich löste, Gestützt 
auf eingehendes Wolkenstudium und auf Kleinversuche, beschäftigte sich V. später 
vornehmlich mit den Luftströmungen und ihren Volumina im Verhältnis zu den 
Hoch- und Tiefdruckgebieten, deren Kenntnis sich in der Zwischenzeit seit Dove 
durchgesetzt hatte, Vs diesbezügliche Ergebnisse sind auch in der außerdeutschen 
Meteorologie (Waldo 1898) gewürdigt worden. Über die gesamten Veröffent- 
lichungen von Vettin siehe Poggendorffs Biographie, Literar. Handwörter- 
buch, Bd. 2 bis 5. 
Schon in den ersten Abschnitten der zitierten Arbeit stellt V. ein großzügiges 
monsunales Strömungssystem in Europa auf, das zwar ungelenk und übertrieben 
erscheint, wenn wir es mit der Studie Rüdigers etwa vergleichen wollen, dem 
jedoch richtige Gedanken zugrunde liegen. V, sagt wörtlich (S. 106): „Berück- 
sichtigen wir nun die geographische Lage der europäischen Halbinsel, die im 
Osten weit ausgedehnten Ländermassen Rußlands und West-Asiens, das westlich 
gelegene große Atlantische Meer, berücksichtigen wir ferner, daß das Land im 
Sommer sich mehr erwärmt, im Winter stärker erkaltet als das Meer, so finden 
wir die Bedingungen zu einer Lufteireulation gegeben, in deren Bereich wir uns 
befinden und die nach Art der Moussons zweimal im Jahre ihre Richtung um- 
kehrend in obiger Weise vor sich gehen muß, — Im Winter nämlich wird sich die 
Luft unten von dem stärker erkalteten Lande des Ostens zum wärmeren Ozean und 
oben zurück, im Sommer umgekehrt unten von der nunmehr relativ kälteren See 
nach den erhitzten Ebenen Rußlands und West-Asiens und oben zurück bewegen.“ 
V. baut gleichwohl diese Feststellungen in das System der Polar- und 
Aequatorialströmungen Dores ein und kommt auf.diese Weise zu Kombinationen 
planetarisch-tellurischer Art. So schreibt er (S. 109): „Im Winter wird der untere 
östliche Landwind B den Polarstrom A, der eine nordnordöstliche Richtung hat, 
weiter nach Ost (C), der vom Meere zurückkehrende obere Weststrom b ebenso 
den oberen südsüdwestlichen Aequatorialstrom (a) noch mehr nach West zu lenken 
(etwa nach c),“ Wir dürfen uns durch die reichlich verworren erscheinenden 
Richtungsangaben nicht beeinflussen lassen; denn aus seiner beigegebenen Figur 
geht hervor, daß er mit der Ablenkung des Polarstroms nach Osten einfach die 
Resultierende zwischen NNO und O meint, aus der der kombinierte Luftstrom 
weht, Die starre Auffassung von einer antipassatähnlichen Oberströmung ent- 
spricht naturgemäß keineswegs unserer heutigen Vorstellung, wenn es auch 
prinzipiell dem Zirkulationsschema mit dem im Querschnitt dargestellten Luft- 
austausch innerhalb der einzelnen Luftdruckgebilde Rechnung trägt. Ohne die 
Kenntnis vom zyklonalen bzw. antizyklonalen Strömungsbild kommt V, auf Grund 
seiner Ideen zu einer nichtsdestoweniger praktisch richtigen Deutung der euro 
päischen Windverhältnisse (S, 109): „Durch das sich Ineinandermischen der oberen 
und unteren Luftschichten in unserer gemäßigten Zone, durch das dabei statt- 
Hndende Ablenken und Abgelenktwerden der einen durch die anderen entsteht 
jene unendliche Mannigfaltigkeit der Windrichtungen, die aber. nichtsdesto- 
weniger, je umfassendere und genauere Beobachtungen zu Gebote stehen, um 80 
deutlicher ihren eigentlichen Ursprung erkennen lassen,“ Zwar spricht V. auch
	        
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