152 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Mai 1940.
Herbewegung innerhalb des Gezeitenablaufs unterliegen. Wir müssen hierbei
nicht allein an die große Reibung denken, die beim Fließen der Wassermassen
über den sehr rauhen Meeresboden der engen und seichten Meeresstraße auftritt,
sondern besonders an die innere turbulente Reibung, die hier den Beobachtungen
gemäß bei dem sehr ungeordneten Strömen des Wassers gewiß sehr groß sein
wird. Sie wird aber noch im besonderen Maße dadurch erhöht, daß im engsten
Meeresstraßenteil es zu Verwirbelung zweier verschijedenartiger Wassermassen
kommt. Denn das Ionische Wasser ist seiner Temperatur- und Salzgehalts-
vrerhältnisse wegen schwerer als das Tyrrhenische und der Umstand, daß sie in
periodischem Widerspiel an der engsten Stelle der Meeresstraße immer wieder
gegeneinander geworfen werden, erhöht ihre Turbulenz bedeutend.
Es ist nicht leicht, ohne besondere Annahmen die Wirkung dieser starken
Reibungseinflüsse zahlenmäßig in Rechnung zu stellen, und zwar deshalb, weil
sich diese auf einer sehr kurzen Strecke (etwa zwischen dem 7, und dem 12. Quer-
schnitt) von rund 15 km auswirken, während außerhalb dieses Gebiets die Reibung
nahezu ganz zurücktritt. Aber man kann sehr leicht ihre Wirkungsweise durch
folgende Überlegungen, die für den Strömungsvorgang innerhalb des engsten
Straßenteils von einigem Interesse sind, abschätzen,
Wäre die Meeresstraße von Messina von Süden kommend etwa beim Quer-
schnitt 9 (südlich Pace—südlich S. Giovanni) geschlossen, so würden in dieser
Bucht des Ionischen Meeres die Gezeiten wie im Ionischen Meer verlaufen; wie
eine kurze Rechnung zeigt, würde sich am Abschluß in der innersten Bucht
Amplitude und Phase der Gezeit nicht wesentlich von jener im Süden beim
Eingang in die Meeresstraße unterscheiden.
Denken wir uns andererseits von Norden kommend die Meeresstraße etwa
beim Querschnitt 11a (Cap Peloro— Torre Cavallo) geschlossen, so würden in
dieser Bucht des Tyrrhenischen Meeres die Gezeiten, sowohl was ihre Amplitude
wie ihre Phase betrifft, genau mit jenen des Tyrrhenischen Meeres übereinstimmen.
Diesseits und jenseits des Mitteistückes, das als 6 km lange Schranke Festland
zu denken wäre, würden die Gezeiten gegenläufig vor sich gehen. Im Norden wäre
Hochwasser um 2,9%, im Süden 8,9b, die Niedrigwasserzeiten wären 8.9h bzw, 2.95,
Legen wir nun in dieses Mittelstück einen schmalen Kanal, der die beiden
Meere miteinander verbindet, dann würden sich die Wasserunterschiede diesseits
und jenseits durch Ströme auszugleichen suchen. Die größten Geschwindigkeiten
werden sich zur Zeit des größten Niveauunterschiedes einstellen und außer diesem
wird die Reibung allein die Stromgeschwindigkeiten festlegen. Bei den gegebenen
Verhältnissen würde demnach die Phase der Stromgeschwindigkeit im schmalen
Kanal 2,9% sein, d. h. rund 90° betragen. Das ist das eine Extrem. Ist im Gegen-
satz zu diesem Fall die Verbindung zwischen dem Ionischen und Tyrrhenischen
Meer so tief und breit, daß die Reibung ganz zurücktritt, so würde die Phase der
Gezeitenströme in dieser Verbindungsstraße, wie wir der Tabelle 2 entnehmen
können, rund 180° betragen. Das ist das zweite Extrem. Im ersten Fall tritt
die Trägheit gegen die Reibung völlig zurück, im zweiten die Reibung gegen
die Trägheit. Alle Fälle mit allmählichem Übergang zwischen dem Ionischen
und Tyrrhenischen Meer müssen dazwischen liegen, In dem uns von der Natur
in der Straße von Messina vorgegebenen Fall von immerhin größerer Breite
und Tiefe, aber durch den Austausch der verschiedenartigen Wasserarten er-
höhter Turbulenz (Reibung) wird wohl die Mitte zwischen den oben erläuterten
zwei Extremen gehalten werden, Die Phase der periodischen Ströme wird dann
bei (90° + 180°) : 2 = 135° liegen müssen. Es ist wohl kein Zufall, daß die aus der
harmonischen Analyse der Strommessungen abgeleitete Phase der M, + S,-Welle
fast genau diesen Wert, nämlich 140° ergab. Man erkennt daraus, daß in der
Straße von Messina die Reibung für die Phase der Gezeitenströme ausschlag-
gebend ist und nur durch Berücksichtigung derselben verständlich wird,
Zum Überblieken der Stromverhältnisse innerhalb der Meeresstraße in den
einzelnen Mondstunden ist es angezeigt, diese für die Längsachse der Straße mit
den Werten der Tabelle 2 für jede Mondstunde zu berechnen, wobei, um mit
der Wirklichkeit in Übereinstimmung zu bleiben, in den einzelnen Querschnitten