Herrmann, E.:; Die geographischen Arbeiten.
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Der Rand des Schelfeises verläuft nicht gleichmäßig, sondern weist zahlreiche
Ein- und Ausbuchtungen auf, Auf 0° und 15° östl. Länge schiebt sich das
Schelfeis in zwei mächtigen Zungen 80 und 100 km nordwärts. Die Echolotungen
im Norden und Nordwesten der 15°%.Zunge ergaben einen Meeresboden, der unter
dem Eis verhältnismäßig stark ansteigt (vgl..Karte 2). Anscheinend liegt der
ganze mittlere Teil fest auf, wobei es sich entweder um eine Untiefe oder, wie
ich eher annehmen möchte, um eine nordwärts gerichtete Landzunge handelt,
Untermeerisch ist ein Rücken flacher als 1000 m nordwestwärts über 69° S zu
verfolgen. Die Eiszunge war auch wenig zerrissen, kurze Spalten und kleine
Buchten fanden sich nur am äußersten Rande. Die Schelfeiszunge bei 0° Länge
hat vielleicht eine ähnliche Entstehung. Auch hier umreißen die Isobathen unter
dem Ostteil der Zunge einen nordwärts gerichteten Rücken, Da aber selbst in
zroßer Nähe des Eises keine Tiefen geringer als 1000 m gemessen wurden,
andererseits im Nordwesten nur große Tiefen über 3000 m beobachtet werden
xonnten, so scheint diese Eiszunge nur an der Östseite ihrer Wurzel auf festem
Boden aufzuliegen, Unterstützt wird diese Ansicht durch das Vorhandensein
tiefer ost-westgerichteter Buchten und Spalten am Westrand der Zunge, Ein
sehr tief eingeschnittener Riß zieht sich dicht an der Wurzel vom Westrande aus
bis in die Nähe des Widerlagers,
Während die Eiszunge bei 15° Ost, da „auf Fels gebaut“, eine unbeschränkte
Lebensdauer zu haben scheint, wird diese bei 0° eines Tages an dem breiten
W—O-Riß abbrechen und als Riesentafeleisberg ins freie Meer hinausschwimmen.
Wir trafen außergewöhnlich günstige Eisverhältnisse an. Nur deswegen war
es möglich, in der Nähe des 0°-Meridians mit dem Schiff bis 69° 46’S8 vorzu-
dringen, Bisher ist es meines Wissens nur einem Schiff gelungen, in diese Gegend
30 weit südwärts vorzustoßen, John Biscoe’s „Tula“ 1831 bis etwa 69° 05‘ S auf
13° 0. Die „Norvegia“-Karte von 1931 zeichnet in diesem Gebiet den Schelfeis-
rand noch bis 68,5%°. Der Eisrand ist also seitdem erheblich {bis 160 km) zu-
rückgegangen.
Zur Zeit scheint die Antarktis noch immer unter dem Zeichen einer zu-
nehmenden Erwärmung zu stehen, In der Arktis ist seit Jahren ein ähnlicher
Vorgang zu beobachten. In den arktischen Sommern 1935/36 konnten russische
Schiffe von der Murmanküste bis zur Beringstraße hin und zurück in einer
Navigationsperiode fahren. Im Spätsommer 1937 froren aber 25 russische Dampfer,
darunter fast alle vorhandenen Eisbrecher, auf dem sibirischen Seewege ein,
In der Arktis scheint sich also wieder eine zunehmende Abkühlung vorzubereiten,
Db eine ähnliche Annahme auch für die Antarktis zutrifft, kann hier noch nicht
entschieden werden.
Der Sonderflug 2 hatte die besondere Aufgabe, einige von den früheren
Flügen her bekannte Stellen des Schelfeisrandes auf eine Landemöglichkeit hin
zu untersuchen, Die in Frage kommenden Stellen waren zwei etwa 25 km tief
in das Schelfeis einschneidende Buchten, Auf den Flügen I, II und Sonderflug 1
war übereinstimmend festgestellt worden, daß beide Buchten in dieser Zeitspanne
ihre Lage nicht verändert hatten und ferner auf ihrer Westseite im Gegensatz
zur Umgebung nur flach abfallende Eisränder aufwiesen, Die Vermutung lag
nahe, daß hier Landnähe vorhanden sei,
Die beiden Buchten wurden auftragsgemäß umflogen, die größere schien
zu einer Wasserung günstiger, weil weniger Treibeis vorhanden war, Nach
der gut geglückten Wasserung konnte der nur etwa 30 em hohe KEisrand be-
treten werden,
Dieser Eisrand gehört dem Schelfeis an, das einen Teil der Bucht ausfülllt,
Dahinter steigt auf drei Seiten ein flachhügeliges Gelände an von — soweit die
Beobachtung gestattete — festem Land mit aufliegender Eisdecke, Die Mächtig-
keit des Eises konnte nicht festgestellt werden. Die 50 bis 70 m hohen Hügel
bestehen aus Gletschereis und sind durch Stau hochgewölbt. Etwaige Spalten
waren durch Firn verdeckt.
Die Bucht (vgl. Bild 8 S, 26) war z. T. mit völlig ebenem Schelfeis: ausgefüllt,
der Eisrand von den Hügeln etwa 1 bis 2 km entfernt. Eine Kcholotung mit