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Deutsche Antarktische Expedition 1938/39.
und eine Hilfeleistung wäre bei seiner etwaigen Notlandung kaum noch ausführbar
zewesen, um so weniger, als das Reserveflugzeug wegen Trimmschwierigkeiten nur
noch beschränkt verwendungsfähig war. Diese Trimmschwierigkeiten zu beheben,
war fortlaufend erfolglos versucht worden. Für ihre gründliche Beseitigung
stand jedoch die Zeit nicht zur Verfügung. Da auch eine Wetterbesserung nach
den Untersuchungen des Meteorologen in naher Zukunft nicht zu erwarten war
und die geschilderten Eisverhältnisse ernstlich zum Rückzuge von der Eiskante
mahnten, ließ die Expeditionsleitung alle Arbeiten im Arbeitsgebiet abbrechen;
ihre Fortsetzung wäre mit einem Risiko für das Schiff und das eine noch voll
verwendungsfähige Flugzeug verbunden gewesen, das im Hinblick auf die bisher
ohne jeden Unfall erreichten guten Ergebnisse nicht tragbar war,
Es muß als ein glücklicher Zufall angesehen werden, mitbestimmt durch die
Erwägung der voraussichtlichen Eisverhältnisse, daß die Flüge gerade an einer
so interessanten Stelle des der Expedition zugewiesenen Arbeitsgebietes angesetzt
worden waren, Der eingehend erkundete Sektor zwischen 11*/,° West und 20° Ost
scheint ein geologisch in sich abgeschlossenes Gebiet darzustellen, das sich in
vier große Gebirgsmassive gliedert, im Süden durch eine 4000 m hohe kahle
Eishochfläche begrenzt und auch im Westen und Osten von je einer kahlen,
ziemlich steil zum Schelfeis abfallenden Firneisfläche, die nur wenige kleine
Bergkämme und Nunataker durchbrechen, umschlossen wird, Das durch unsere
uanermüdlichen und zu immer neuen Taten drängenden Flieger erkundete, vor
ihnen noch von keinem Lebewesen erblickte Gesamtgebiet ist etwa 600000 qkm
groß; es macht in seiner grandiosen Trostlosigkeit auf den Beschauer einen un-
vergeßlichen Eindruck, Kein Baum, kein Strauch ist zu sehen, sogar der bunt-
blumige Moosteppich fehlt, der sonnigen Stellen der Inseln im arktischen Eise
noch bis fast 80° nördlicher Breite hinauf einen Hauch von Leben verleiht,
Nicht einmal ein Vogel durchschneidet die eisige Luft, kein Laut ertönt, nur
Sonne und Eis ringsum, soweit das Auge reicht; auf dem Eise die scharfgratigen,
zackigen Berge mit Zinnen und Türmen bis 4000 m ansteigend, in deren Rissen
und Spalten Stürme dünnen Schneestaub zusammengefegt haben (Bild 5), und
das ganze Landschaftsbild ist in hauchzarten, glasigen Farbenglanz getaucht, der
sich oft bei Sonnenuntergängen zur höchsten Prachtentfaltung steigern kann,
11000 Flugaufnahmen unserer beiden tüchtigen Luftbildner von einem 350 000 qkm
großen Teil des erkundeten Geländes haben die Unterlagen für die im Anhang
beigefügte Übersichtskarte dieses Teiles der Antarktis gebracht, der nach dem
Expeditionsschiff den Namen „Neuschwabenland“ erhalten hat,
Die Bewegungen des Schiffes waren während des dreiwöchigen Aufenthaltes
am Schelfeis durch die Flugtätigkeit bestimmt worden. Für die Schiffsleitung
war mit ihrem Abschluß eine verantwortungs- und arbeitsreiche Zeit zu Ende
gegangen, Sprechen die großen Erfolge der Flieger und Wissenschaftler, deren
Arbeiten auf einem bisher unerforschten Teil des antarktischen Kontinents und
in dem zugehörigen Küstengewässer viel Neues auf geographischem, meteorologi-
schem, biologischem und ozeanographischem Gebiet gebracht haben, für sich, und
bedarf es keines weiteren Hinweises, daß diese Erfolge nur durch ein volles Auf-
gehen der Beteiligten in ihren Pflichten erzielt werden konnten, 80 tritt auf den
ersten Blick die Arbeitsleistung der Schiffsleitung ihnen gegenüber weniger in
Erscheinung. Aber die Rekordziffer von 1126 Manövern in den antarktischen
Gewässern zum Ausweichen vor drohenden Zusammenstößen und gefährlichen Eis-
gebilden, zum Umfahren von Packeisfeldern, zum Absetzen der Flugzeuge und
Boote und zu ihrer Wiederaufnahme sowie für die Arbeiten der Wissenschaftler,
macht das Maß ihrer verantwortlichen Tätigkeit deutlich. Ein nicht geringer
Teil der erzielten Gesamterfolge ist daher der unermüdlichen Einsatzbereitschaft
des Kapitäns und seiner Offiziere und Mannschaften des Deck- und Maschinen-
dienstes zuzuschreiben und der ebenso unermüdlichen und wertvollen Beratung
durch den Eislotsen.
Standen am Schelfeis die fliegerischen Aufgaben im Vordergrund, so sollte
die am 6. Februar auf Grund der oben genannten Erwägungen angetretene Rück-
reise vorzugsweise der Durchführung weiterer wissenschaftlicher Aufgaben dienen,