Ann. d, Hydr. usw., LXVIL Jahrg. (1939), Heft XI,
307
Über die Gebundenheit von Hoch- und Niedrigwasser der Ostsee
an ganz bestimmte Kalendertage im Jahre.
Von Fr. Model, Hamburg, Deutsche Seewarte,
‘Hierzu Tafel 49 mit Abb. 5 und 7 und Tabellentafel 50 mit Tabellen 6, 7, 9 bis 11.)
Zusammenfassung, Es wird der jährliche Gang im Wasserstand von „Marienleuchte“ (Ostsee)
diskutiert. Damit im Zusammenhang wird erstmalig die Existenz von Singularitäten in den Wasser-
höhen der Ostsee nachgewiesen,
Der Gang des Wasserstandes an der deutschen Ostseeküste ist Gegenstand
verschiedenartiger Untersuchungen gewesen. Die meisten von ihnen begnügen
sich mit der Aufstellung einer Statistik, So werden zeitliche und räumliche
Änderungen des Wasserstands gewonnen; nur selten wird die Höhe des Wassers
in Beziehung zu meteorologischen Vorgängen gesetzt, vereinzelt wird auf Schichtung
und Strömung der Ostsee Rücksicht genommen. Im deutschen Schrifttum ent-
sprangen diese Untersuchungen selten ozeanographischem Interesse, vielmehr
dienten die Schreibpegel „Travemünde“, „Wismar“, „Warnemünde“, „Arkona“,
„Swinemünde“, „Stolpmünde“, „Pillau“, „Memel“ und „Marienleuchte“, die in Ver-
waltung des Geodätischen Instituts standen, ursprünglich der Untersuchung,
inwieweit die Meeresoberfläche eine Geoidfläche ist. Es kommt bei diesen Berech-
nungen auf ausgeglichene, langjährige Mittelwerte an, deren Diskussion allerdings
sehr bald die Berücksichtigung des Einflusses von Luftdruck und Wind erforderten.
Von diesen Pegeln stehen allein „Marienleuchte“ (auf der Insel Fehmarn am
Fehmarnbelt) und „Arkona“ (Rügen) an der freien Meeresküste, Der exponierten
Lage wegen waren ihre Aufzeichnungen häufiger gestört, und ihre Mittelwerte
sprengten verschiedentlich den Rahmen der geographisch geordneten Gesetz-
mäßigkeiten der übrigen Anlagen. In neueren Untersuchungen wurden sie des-
halb mehr und mehr unberücksichtigt gelassen. Es schien deshalb angebracht,
die Wasserstände von „Marienleuchte“ einer erneuten Bearbeitung zu unterziehen,
Abgesehen davon, daß die Beobachtungsreihe von „Marienleuchte“ zuverlässiger
als die von „Arkona“ (ı) ist, wurde „Marienleuchte“ deshalb ausgewählt, weil
das in der Nähe liegende Feuerschiff „Fehmarnbelt“ laufend hydrographische
Beobachtungen vornimmt, die späterhin der vorliegenden Untersuchung über die
Höhe des Wasserstandes im Fehmarnbelt parallel gesetzt werden sollen.
Wichtig für alle Wasserstandsberechnungen ist immer wieder die Frage nach
der Konstanz des Pegelnullpunktes, In „Marienleuchte“ scheint er jederzeit
in eindeutiger Beziehung zum Normalhöhenpunkt gestanden zu haben, Die sich
zwischen dem alten und neuen System der Landesaufnahme (2) ergebenden
Differenzen, die bei den anderen Stationen der Höhenlage der Meeresoberfläche
nur einen relativen Wert zukommen lassen, sind für „Marienleuchte“ ohne Belang.
Die im Rahmen des Küstennivellements des Geodätischen Instituts (2) errechnete
Höhenlage des Pegelnullpunkts von „Marienleuchte“ stimmt mit der, die sich im
neuen System der Landesaufnahme ergeben hat, überein!), weshalb alle Wasser-
standszahlen als frei von Fehlern im Feinnivellement angesehen werden können.
Außer über den Pegelnullpunkt muß über die Beobaehtungsgrundlage
noch einiges bemerkt werden, In „Marienleuchte“ steht ein mechanischer
Schwimmer-Schreibpegel, der bei einem Papiertransport von 2 mm/h im Höhen-
verhältnis 1:20 registriert (einer Strecke von 5 cm auf dem Papier entspricht eine
Wassersäule von einem Meter). In der vorliegenden Untersuchung werden die Pegel-
aufzeichnungen von 1902 bis 1937 diskutiert; während dieser Zeit wurde weder das
Gerät ausgetauscht noch die Anlage verändert: ein Pegelbrunnen an Land ist
kommunizierend mit dem freien Wasser der Ostsee durch ein Rohr verbunden,
Ausgegangen wird vom täglichen Wasserstand, zur Verwendung kommen nicht
Terminablesungen sondern Tagesmittelwerte, die vom Geodätischen Institut aus
den Registrierungen zum Teil berechnet, zum Teil geschätzt worden sind. Das
Zahlenmaterial stand mir im Original zur Verfügung®), so daß, soweit es noch
1) Diese Klarstellung verdanke ich Prof, Mühlig vom Geodätischen Institut [s, auch (3)]. —
!. Dem Geodätischen Institut spreche ich für das Überlassen der Beobachtungsbücher meinen Dank aus.
Ann. d. Hydr. usw. 1939, Heft XI