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Full text: 67, 1939

Raethjen, P.: Zu den Frontalzonen und Labilisierungsfeldern der Nordseeorkane usw. 453 
daß diese Wendung im Sturmwarnungsdienst der Deutschen Seewarte rechtzeitig 
erkannt wurde. Wenn man nun aber die beiden von R. Scherhag in seiner 
Fig, 1 gezeichneten Bewegungsbahnen betrachtet, kann man ganz primitiv auf 
die Meinung verfallen, daß beide Zyklonen von der Nordsee angezogen und 
vom Festland abgestoßen wurden, wie etwa eine negative Elektrizität von einer 
positiv geladenen Nordsee und einem negativ geladenen Festland. Eine so 
primitive Deutung nützt natürlich noch nichts, aber es ist doch der Mühe wert, 
bei beiden Zyklonen zu untersuchen, ob tatsächlich das Nordseegebiet me- 
teorologische Kennzeichen. zeigt, welche als Begünstigung der Orkanbildung zu 
deuten sind und das Festland solche, welche als Abwehr derselben gelten 
können. Es liegen doch offenbar Einwirkungen der besonderen Küstenlage vor, 
welche in den meteorologischen Feldern wiederzufinden sein müssen. 
R. Scherhag hat erwähnt, daß insbesondere bei dem Orkan am 27. Oktober 
1936 das Nordseewasser etwa 2°C wärmer war als die Luft, und hat auf den 
feuchtlabilen Temperaturgradienten des Hamburger Flugzeugaufstiegs hingewiesen, 
Aber er beschränkt die Wirkung der Feuchtlabilität darauf, daß in diesem 
Falle 80% des Gradientwindes in Bodennähe als beobachteter Wind gefunden 
wird, während sonst der bodennahe Wind gegenüber dem Gradientwind stärker 
geschwächt auftritt, Diese auch von R. Scherhag gefundene Wirkung eines 
feuchtlabilen Temperaturgradienten ist aber doch nur eine (verhältnismäßig 
nebensächliche) Begleiterscheinung der feuchtlabilen Umlagerungen; durch diese 
Umlagerungen werden immerfort Luftmassen mit großer Windstärke aus höheren 
Schichten in tiefere befördert. Dieser Umstand liefert ja auch die einfachste 
Erklärung für die von R, Scherhag besonders betonte Erfahrungstatsache, daß 
das eigentliche Orkangebiet erst etwa 500 km hinter der Kaltiront gefunden 
wird; in unmittelbarer Nähe der Kaltfront überwiegt die aufwärts gerichtete 
Vertikalbewegung, und daher werden dort die großen Windstärken des Höhen- 
windfeldes nicht bis in das Meeresniveau heruntergebracht, Erst weiter hinter 
der Front macht sich der vertikale Austausch der feuchtlabilen Umlagerungen 
in dem Sinne geltend, daß die Windstärke im Meeresniveau entscheidend ver- 
mehrt wird. Hier herrscht nämlich in mittleren Schichten der Troposphäre 
absinkende Bewegung vor und in den untersten Schichten treten zumindest auf- 
steigende und absinkende Umlagerungsströme mit ungefähr gleichem Massen- 
transport auf (wenn vielleicht auch mit verschiedenen Vertikalgeschwindigkeiten). 
Von dieser Windstärkevermehrung im bodennahen Windfeld wird aber auch der 
Druckgradient beeinflußt; der bodennahe Wind wird nicht nur einem vorher 
bereits vorhandenen Gradientwind angenähert (wie Scherhag feststellt bis auf 
80% der Gradientwindgeschwindigkeit), sondern auch der Gradientwind wird 
vermehrt durch die feuchtlabilen Umlagerungen. 
Dem Verfasser dieser Zeilen war es selbstverständlich eine Freude, daß 
R. Scherhag, sonst ein abgesagter Gegner jeder „feuchtlabilen“ Zyklonen- 
betrachtung, hier der feuchtlabilen Mitwirkung ein wenn auch bescheidenes 
Plätzchen zugestanden hat, Dieses Zugeständnis berechtigt wohl zu der Hoff- 
nung, daß die vorstehend von Sellenschlo mitgeteilte Untersuchung nicht als 
Polemik gegen die bewährten synoptischen Untersuchungsmethoden R. Sch erhags 
aufgefaßt wird, sondern als eine notwendige Ergänzung. Jedes Ding hat zwei 
Seiten, auch die Zyklonen und die Wetterdiagnose. R. Scherhag hat in vor- 
züglicher Weise die atlantischen Zyklonen und ihre Entstehung aus der Frontal- 
zone beschrieben, aber die eigenartige Einwirkung der Küstenlage im Nordsee- 
raum, die offensichtlich übermächtige monsunartige Wirkung, welche von dieser 
Küstenlage auf die Bewegung der Zyklonen und auf die Ausbildung der Sturm- 
felder ausgeübt wird, diese Vorgänge kommen dabei zu kurz. 
Schon in einer früheren Untersuchung von H, Sturm‘) ließen sich solche 
monsunhaften Wirkungen in den Labilisierungsfeldern erkennen. Auch hier zeigt 
die Untersuchung Sellenschlos Ähnliches und führt außerdem den Nachweis, 
daß nach der Scherhagschen Divergenztheorie objektiv die Änderung der Zug- 
richtung nicht prognostiziert werden konnte. Wenn auch damit nicht der Anspruch 
lH. Sturm, Ann. d. Hydr. 1937. £&. 354 und 1938, S. 127.
	        
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