Sellenschlo, H.: Der Nordeeeorkan vom 27, Oktober 1936.
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kaum anders als durch feuchtlabile Umlagerungen erklärt werden können. Die
in der Zeit vom 17, Okt. 1936 19% bis 18, Okt. 1936 08% (Abb. 24) und 18. Okt. 1936
08% bis 19 (Abb, 25) gefallenen Niederschlagsmengen lassen den Rückschluß ZU,
daß wir in den erstgenannten Zeitspannen eine instabile Luftmassenschichtung
ansetzen können. Das Feuerschiff „Elbe I“ meldet 29 mm Niederschlag zu
erstgenannter Zeitspanne [in den von 5 zu 5 mm gezeichneten Niederschlags-
karten konnte dieser Wert auf dem engbegrenzten Raume nicht mehr zur
Darstellung gebracht werden (Abb. 24 und 26)]. Im Gebiet Norddeutschlands,
der deutschen Nordseeküste und der westlichen Ostsee werden 5 mm und mehr
Niederschlag vom 17. Okt, 1936 19% bis 18, Okt. 1936 08h registriert, der Höchst-
betrag beläuft sich auf den oben erwähnten Wert vom 29 mm. Die Warmfront
hat bereits: am 17, Okt. 1936 195 die genannten Gebiete passiert, so daß der
Warmfrontregen in den Niederschlagsmengen nicht mit einbegriffen ist. Auf
enger begrenztem Raume derselben Gebiete fallen in der Zeit vom 18. Okt. 1936
08 bis 19 noch 4 bis 6 mm Niederschlag. Ein Ähnliches Bild ergibt die Zu-
sammenfassung beider Zeitspannen (Abb. 26).
Eine wichtige Frage wird es nun sein, ob der Labilisierungsvorgang im Gebiet
der Nordsee auch für den Orkan vom 18. Okt. 1936 hätte prognostisiert werden
können. Eine Untersuchung in dieser Hinsicht bejaht die Frage. Die Bodenwetter-
karte vom 17, Okt, 1936 08h zeigt die die Frontalzone erzeugenden Hochdruckgebiete
über der Biskaya (warmes Hoch) einerseits und das im Nordwesten davon gelegene
(kaltes Hoch) andererseits. Die Verteilung der Windrichtungen (s. Bodenwetter-
karte und Höhenwetterkarte vom 17. Okt, 1936 08%) ergibt einen warmen Unter-
strom (SW—WSW) in niederen und einen kälteren Öberstrom (WSW—W) in
höheren Schichten über dem Nordseegebiet, wenngleich die Höhenkarten vom
17. Okt. 1936 die Verhältnisse nicht so deutlich wiedergeben wie die Karten vom
26. bzw. 27. Okt. 1936, so ist doch der Labilisierungsvorgang unverkennbar,
Wie sehen nun die Windverhältnisse im Nordseeraum zu den entsprechenden
Zeiten aus? Am 17. Okt. 1936 19h (Abb. 27) haben wir die Windstärken 7 bis 9 Bft.
im Nordseeküstengebiet vom Kanal bis etwa zur deutsch-dänischen Grenze.
Dieselben Windstärken finden wir in einem Streifen von der Nordküste Irlands
über Nordschottland nach Südnorwegen, Größere Windstärken als 7 bis 9 Bft.
werden nicht gemeldet. Überhaupt ist die Verteilung der Schwellenwerte der
Windstärken (s. Bearb. vom 27, Okt. 1936) noch eine unregelmäßige.
Hingegen zeigt der 08b-Termin vom 18, Okt. 1936 (Abb. 28) bereits eine
Konzentration der großen Windstärken (10 bis 12 Bft.) in der Deutschen Bucht.
Ein gegenüber dem 08*.Termin nur wenig verändertes Bild zeigt der 14%-Termin
(Abb. 29). Hier haben wir aber bereits in der Ostsee auch schon 10 bis 12 Bft,
belegt durch die Stationen Arkona und Adlergrund. Gegen 19h (Abb. 30) melden
nur noch vereinzelte Stationen Windstärken größer als 9 Bft, Ein geschlossenes
Gebiet der Windstärken 10 bis 12 Bft. in ähnlicher Größe wie zu den vorher-
gehenden Terminen ist nicht mehr vorhanden.
Die gegenseitige Lagebeziehung von Niederschlagsgebieten großer Intensität
und den Gebieten sturm- bis orkanartiger Windstärken vom 18. Okt. 1936 läßt die
gleiche Schlußfolgerung zu wie die Behandlung des Orkans vom 27. Okt. 1936. Auch
die zahlreichen Schauer- und Böigkeitsmeldungen sprechen hier wie am 27. Okt.
1936 für instabile Verhältnisse, Das gleiche Ergebnis zeitigt eine Durchsicht der
gemeldeten Wolkenarten. Der Labilitätsenergie wird auch hier eine große Bedeutung
beizumessen sein, wenngleich eine direkte Aussage über die Stabilitätsverhältnisse
der Vertikalschichtung aus bereits erwähnten Gründen nicht möglich war.
An dieser Stelle möchte ich nun nicht versäumen, Herrn Prof. Dr. P. Raethjen
für die Überlassung des Themas sowie für die vielen wertvollen Anregungen
und Ratschläge meinen herzlichsten Dank auszusprechen,
G. Schrifttum,
1. F. Baur u. H. Philipps: „Die Bedeutung der Konvergenzen u. Divergenzen des Geschwindig-
keitsfeldes für die Druckänderungen.“ Beitrag z. Physik d. fr. Atm, 1938, Bd. 24, S. 14f.
2. J. Bjerknes: „Theorie der außertropischen Zyklonenbildung.“ Met, Zeitschr. 1937, Bd. 54, S. 462 ff,
3. W., König: „Beitr, z. Frontentheorie,“ Met, Zeitschr, 1928, Bd. 45, 8. 2694f.
Ann, d. Hydr. usw. 1939, Helt 1X.