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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, September 1939,
Erwähnt sei hier, daß die Nordseeorkane vom 18. und 27. Okt. 1936 bereits
von R. Scherhag (22) bearbeitet worden sind. Die Ausgangspunkte unterscheiden
sich aber wesentlich von der vorliegenden Arbeit, denn R. Scherhag legt das
Schwergewicht auf die erzeugende Frontalzone, während hier die Labilisierung
und die Labilitätsenergie Beachtung finden. *
B. Der Labilisierungsvorgang.
1. Die Änderungen der relativen Topographien 1000 bis 800 mb und 800 bis 500 mb.
Welche große Bedeutung den Kaltluftvorstößen in der Höhe für die Wetter-
entwicklung beizumessen ist, das sei hier an der Wetterlage vom 25, bis 27. Okt.
1936 gezeigt (s. Abb. 1). Das Voreilen der Kaltluft in der Höhe führt zu der
Entstehung potentieller Energie vertikaler Luftmassenschichtung, die wie schon
erwähnt im Sinne von A, Refsdal als Labilitätsenergie bezeichnet wird. Die
Gebiete entstehender und vergehender Labilitätsenergie werden in Labilisierungs-
und Stabilisierungsgebieten zusammengefaßt.
Bei der Bearbeitung der aerologischen Messungen wird in derselben Weise
wie in der Arbeit von H. Sturm (ze) verfahren, indem nämlich die durch die
Fiugzeugaufstiege erfaßte untere Troposphäre in zwei Schichten aufgeteilt wird.
Diese Schichten werden abgegrenzt durch die 1000 und 800 mb-Fläche einer-
seits, durch die 800 und 500 mb-Fläche andererseits, Die relativen Topographien
dieser Schichten entsprechen definitionsgemäß den Isallothermen der virtuellen
Mitteltemperaturen dieser Schichten, Die zeitlichen Änderungen der relativen
Topographien bzw. der virtuellen Mitteltemperaturen beider Schichten geben
dann ein Mittel in die Hand, die Gebiete stattgefundener Labilisierung bzw.
Stabilisierung gegeneinander abzugrenzen, denn durch eine einfache Differenz-
bildung der Isallothermenkarten der oberen und unteren Schicht ist die Größe
der Temperaturänderung und auch der Richtungssinn, d. h. Labilisierung bzw.
Stabilisierung, gegeben. Wie aus den Tabellen von V. Bjerknes zur Berechnung
der relativen Topographien ersichtlich ist, ergibt die Erhöhung der virtuellen
Mitteltemperatur um 1° in der Schicht 1000 bis 800 mb eine Vergrößerung der
relativen Topographie von annähernd 6 dyn. m und in der Schicht 800 bis
500 mb von etwa 13 dyn, m. Näherungsweise kann dies Verhältnis wie 1 zu 2
behandelt werden, denn der dadurch begangene Fehler spielt für unsere Be-
trachtungen keine ausschlaggebende Rolle. Wegen des genannten Verhältnisses
ergibt bei der Betrachtung der 24stündigen Änderungen der relativen Topo-
graphien die Differenz in
4 20500 __ Ah 1900800")
'Tı
den Unterschied zwischen der Temperaturänderung in der oberen Schicht und
der in der unteren Schicht in dyn. m an. Es entsprechen dann 6 dyn. m mit
hinreichender Genauigkeit einem 1° Temperaturunterschied. Es ist also lediglich
Geschmacks- und Gewöhnungssache, ob man mit dyn, m oder mit Graden der
virtuellen Mitteltemperatur rechnen will. Der Verfasser hat sich in Anlehnung
an die Arbeit von H. Sturm für dyn. m entschieden, auch wegen der Darstellung
der Höhenwetterkarten der Deutschen Seewarte.
Die auf diese Weise gefertigten Labilisierungskarten ergeben nun folgendes.
Bild, hierzu die Abb. 2, 3 und 4. Die Auswertungen der Flugzeugaufstiege in
der Zeit vom 25, zum 26. Okt. 1936 (08 bis 08h-Termin) zeigen eine Labilisierung
im größten Teile des mitteleuropäischen Raumes (Abb, 2). Das Gebiet stärkster
durch Messungen nachgewiesener Labilisierung liegt über Norddeutschland und
der südlichen wie nördlichen Nordsee,
Dieser Vorgang wird desgleichen für die Zeit vom 26, zum 27, Okt, 1936
(08 bis 08b-Termin) verfolgt (Abb. 3), Das Ergebnis ist eine fortschreitende
Labilisierung in den letztgenannten Räumen.
*) Ah zeitliche Änderung der relativen Topographie in der durch Index gekennzeichneten Schicht,
Obige Formel gibt das richtige Vorzeichen, wenn für Ah die Differenz Haupttag minus Vortag.
(Beispiel: 27. minus 26.) in Rechnung gesetzt wird.