‚40 Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, August 1939,
Ebenso wie im Bereich der europäischen Höhen-
wetterkarte Erwärmung der Troposphäre mit Druck-
anstieg in der Höhe verbunden ist und Abkühlung
mit Druekfall, so wird die absolut höchste positive
Abweichung des Luftdrucks vom Monatsmittel auf
Station Kismitte nur drei Tage nach dem erwähnten
intensiven Warmlufttransport aus Südost am 9, März
zemessen, und während sich an den folgenden
Tagen vor allem an der Westküste, in geringeren:
Ausmaß aber auch in Seoresbysund Druckanstieg
:instellt, der am 12. zum höchsten Luftdruckwert
des ganzen Expeditionsjahres (red, 786,5 mm am
12, 8 Uhr in Upernivik) führt, fällt das Barometer
in Fismitte zur gleichen Zeit bei Abkühlung von
159% um mehr als 11 mb!
Auch im Jahreslauf zeigt sich diese enge Be-
ziehung zwischen der Temperatur und dem Luft-
druck in der Höhe, Der Februar, als der käülteste
Monat, brachte auch das niedrigste Luftdruckmittel
mit 501.7 mm, während vom Mai bis September
jer Mitteldruck 520 mm überschritt. Der bei noch
verhältnismäßig tiefer Femperatur sehon hohe Lauft-
drnekwert im Mai zeigt, daß der im gesamten
Polargebiet im Januar einsetzende Luftzufhuß, der
überall in der Arktis im Mai den im Mittel höchsten
Bodendruck hervorruft, sich bis in die höheren
Schichten bemerkbar macht, Es kommt dort auf
diese Weise ein markanter Druekunterschied
zwischen den Sommer- und Wintermonaten
zustande, jene von Mai bis September in Eis-
mitte durch einen durechschnittlichen Luftdruck
über 520 mm ausgezeichnet, diese durch Barometer-
stände von im Mittel weniger als 511 mm charak-
berisiert, Dabei fehlt ein Übergang vollkommen,
vom September zum Oktober beginnt die
Abkühlung des Polargebiets und damit
der rapide Drucksturz in der Höhe, und
rom April zum Mai erfolgt der eigentliche An-
stieg zum sommerlichen Druckniveau. Es ist
wohl kein Zufall, daß die gleichen Monate Mai
bis September auf der ganzen Nordhalbkugel die
sommerliche Zirkulationsruhe bringen und sich
mit der beginnenden Abkühlung und Druckabnahme
in der Höhe über dem Polargebiet im Oktober in
jedem ‚Jahre eine rasche Zunahme der Sturm-
häufigkeit einstellt. Die einjährigen Beobachtungen
auf Eismitte scheinen also sehr wohl schon die
mittleren Verhältnisse in größerer Höhe über der
Arktis zu repräsentieren,
Die Pilotbahnen von Eismitte geben einen
schönen Eindruck von den mannigfachen Ereig-
nissen, die sich hier in der freien Atmosphäre ab-
spielen, So drehte der Wind z, B. vom 28, Mai
Dis. 6. Juni 1931 von West über Nord und Ost
bis Süd und zeigt damit den Durchzug eines
abgeschlossenen Hochdruckkeras an. Auch
die übrigen Höhenwindmessungen zeigen, daß
sämtliche Richtungen vorkommen können. Dabei
stellt die Tropopause, ich glaube ebensowenig wie
in Europa, keine Windgrenze dar, vielmehr bemerkt
man aber ebenso deutlich wie hier, daß in der
Stratosphäre die Windgeschwindigkeiten
mit der Höhe wieder abnehmen.
Von der Ostatation bringt W., Kopp noch
als Nachtrag zum 1. Halbband die tägliche Aus-
wertung des Aktinographen von RKobitzsch
zowie die Stundenwerte des Thermographen
and Holzapfel die Monatsiabellen von Kama-
ratjuk, das an einem langen, engen Fjord liegt,
ler in fast gerader Richtung vom offenen Meer
nach Osten zum [Inlandeis streicht, und deren
Zusammenstellung besonders mühselig war, da
diese Station zur nebenbei betreut werden konnte
und die Registrierungen bei den hier häufigen
Iststürmen Oft versagten. Schließlich bringt
Jülg noch eine Zusammenstellung aller auf den
Schlittenreisen gemessenen Schnee- und KFirn-
Zickten,
Im übrigen ist dieser Halbband der Diskussion
Jer Ergebnisse gewidmet und enthält daher eine
zroße Anzahl Tabellen über die mittleren Verhält-
isse, monatliche und jährliche Gänge usw., deren
ınzelne Aufzählung hier zu weit führen würde,
Besonders sei auf die anschauliche bildliche Dar-
stellung der Wetterverhältnisse in einem Querprofil
Jurch Grönland von W. Kopp und RR. Holz.
ıpfel hingewiesen, Anschließend daran behandeln
lie Verfasser das Hauptproblem, dessen Lösung
sich Alfred Wegener zur Aufgabe gestellt hatte:
Existiert über Grönland eine glaziale
Antizyklone und welchen Einfluß hat es
auf die atlantischen Zyklonen?
Kurt Wegener beantwortet beide Fragen
‚n seiner vorläufigen Zusammenfassung der meteoro-
logischen Ergebnisse (S. 374}:
„Kin stationdres dauerndes Hochdruck-
yebiet im Sinne unserer beweglichen Hoch-
druckgebiete existiert nicht in Grönland.
Der Intandeiswind spielt wegen seiner
zeringen Mächtigkeit von 400, höchstens 10600m,
beine entscheidende Rolle in der Entwicklung
der Tiefdruck- und Hochdruckgebiete unserer
Breiten“.
Holzapfel faßt (5,248) seine Ergebnisse durch
folgenden anschaulichen Schlußsatz zusammen:
‚Das schöne Bild von Grönland, als der
‚ Weiterküche Europas«, hat sich nach den
vorliegenden Untersuchungen teider als Trug-
hild erwiesen“.
Wir werden damit immer eindringlicher auf
Jen Raum um Neufundland, das Grenzgebiet
;wischen Labrador- und Goltstrom als der
zigentlichen Stätte der Zyklonengeburten
‚erwiesen. diegenüber der dortigen Hauptfrontal-
One der Nordhalbkugel spielt das grönländische
Kaltluitreservoir doch nur eine untergeordnete
Kolle. Sie vermag zwar bei den über Grönland
ınwegziehenden Zyklonen in Bodennähe ein
genes Zirkulationssystem zu verhindern und so
zuch eine geringe Abschwächung dieser Tiefdruck-
zebiete herbeizuführen, waron die Vorgänge in der
ireien Atmosphäre aber wenig berührt werden, was
schon daraus hervorgeht, daß sich die Schlecht-
wettergebiete, wenn auch in etwas abgeschwächtem
Maße, quer über das Inlandeis ausdehnen und daß
lie Druckwellen auch kaum abgeschwächt nach
Jberqueren des Eisschildes an der Ostseite wieder
suftaunchen, Dieses eindeutige Ergebnis
"echtfertigt nun den hohen Einsatz, den
Alfred Wegener für das Gelingen dieser Ex-
pedition gewagt hat,
Nach diesem Resultat hat sich offenbar auch
lie Einstellung der Expeditionsmitglieder zum
zynoptischen Wetterdienst geändert, Denn während
Joch im vorigen Halbband der — von Rodewald
widerlegte — Versuch gemacht wurde, zuf eine
Jnzuläpglichkeit des Seewartenberichts hinzuweisen,
zommt. jetzt Kurt Wegener (S, 131) zu dem
Srgebnis, daß „Wir ein aungendähert richtiges
Bild von Luftdruck und Temperatur in Kis-
mitte durch die Weiterkarten der Seewarte
grhalten. Die Expeditionserfahrung zeigt
also, daß eine meteorologische Dauerstation
in Eismitte für Wetterdienstizwecke, wenn Man
nur Luftdruck und Temperatur von Kismitte
haben. will, nicht notwendig ist“.