106 Aunalen der Hydrographie und Maritimen. Meteorologie, Juli 1939,
angeheuren Fülle von Veröffentlichungen und Be-
obachtungen, die durchweg in kleineren Einzel-
darsiellungen mitgeteilt worden waren, die nötige
Ybersicht vollkommen verlorengehen. Diesem
Bedürfnis nach einem so gestalteten Handbuch der
Bioklimatologie hat nunmehr der Verlag von
Quelle & Meyer in Leipzig durch die Herausgabe
eines Werkes abgeholfen, in dem Mediziner und
Naturwissenschafter gemeinsam die umfangreichen
Fragenkomplexe ihrer Wissenschaftsgebiete be-
sprechen, Der Herausgeber dieses Buches ist
Dr. H. Woltereek, der auch schon das Er-
scheinen eines früheren ähnlichen, gemeinsamen
Werkes verschiedener Autoren vorbereitet hat
'„Die Welt der Strahlen“).
Im folgenden soll nun kurz auf den Inhalt
dieses Handbuches, das für viele Leser auch ein
Lehrbuch sein wird, und dessen Ziele und Auf-
gaben L. Weickmann in der Einleitung auf-
weist, eingegangen werden, *
In dem ersien Abschnitt gibt Professor
Dr. L. Weicekmann (Direktor des geophrysikal,
Institutes der Universität Leipzig) auf 120 Seiten
eine sehr anschauliche und klare Darstellung der
Grundlagen der Klima- und Wetterkunde, Er-
jreulicherweise werden hier die Probleme der
Zonnen- und Himmelsstrahlung und des Strab-
magshaushaltes entsprechend ihrer großen Bedeu-
sung ausführlich besprochen, Auf eine Darlegung
unseres heutigen Wissens rom Aufbau der irdischen
Lufthülle folgt eine Erläuterung der einzelnen
Wetterelemente ‚Temperatur, Luftdruck, Wasser-
dampf, Wind), wobei die Tatsache besonders zu
begrüßen ist, daß auch den vorwiegend biologisch
bedeutsamen Elementen, Abkühlungs- und Aus
trocknungsgröße, hier ein recht breiter Raum ein-
geräumt worden ist. Ein die Kreislaufbewegungen
und die Luftmassen behandelndes Kapitel leitet
hber zur Abhandlung der Wetter- und Witterungs-
erscheinungen sowie der Jahresgänge der meteoro-
logischen Elemente, Den Abschluß bildet eine dem
Bioklimatiker besonders interessante Beschreibung
der einzelnen Klimabereiche,
Der zweite Abschnitt: Grundzüge der Bio-
klimatologie des Menschen ist von Prof, Dr. B. de
Rudder (Direktor der Frankfurter Univ.-Kinder-
zlinik) verfaßt und beschäftigt sich nur mit den
Beziehungen des Wetters zu dem Menschen, Das
Kapitel Bioklimatik einzelner Klimaelemente führt
208 in die physiologische Bedeutung der Sonnen-
strahlung‘ ein, wobei natürlich das kurzweilige
Ultraviolett (die photochemische wirksame Kom:
eg der Strahlung} eine besondere Rolle spielt,
Im die Wichtigkeit des UV zu erläutern, sei u, a.
nur auf das Erythem und die antirachitische
Wirksamkeit dieser Strahlen hingewiesen, was hier
gründlich behandelt wird, Es darf aber auch der
Wert der Rot-Ultrarot-Strahlung (0,6 x — 3 #4} nicht
anterschätzt werden, die nicht nur für den Wärme.
haushalt des menschlichen Körpers bedeutsam ist,
denn es scheint doch keineswegs ausgeschlossen zu
sein, daß die bei einer Bestrahlung gleichzeitig mit
eingestrahlte Rotstrahlung die Wirksamkeit der
OV- Strahlen vertiefen und das Zellwachstum be-
zünstigen kann u. a. m.!1 Unter den weiteren
Klimaelementen dürfte hier vorwiegend der Lutft-
druck und der Sauerstoffpartialdruck eine größere
Bedeutung haben, ganz besonders im Hinblick auf
die Probleme der Luftfahrtmedizin, Ins dem
Kapitel: Bioklimatik atmosphärischer Zustände
(Klimato-Biologie) werden einzelne Klimatypen auf
ihre. physiologische Bedeutung hin untersucht,
Auch daz wichtige Problem der Akklimatisation
wird vom Verfasser eingehend beleuchtet, Die
Bioklimatik atmospbärischer Vorgänge, zutreffend
ıls Meteorobiologie bezeichnet, führt den Leser in
len Einfluß der Jahreszeiten, der Wetterfronten,
jes Föhns und in das Wesen der tagesperiodischen
Erscheinungen im Menschen ein,
Der sich hier anschließende dritte Teil ist die
Nutzan wendung zus dem vorigen Kapitel, nämlich
sine Darstellung der Grundlagen einer praktischen
Klima-Therapie, Hier erörtert Prof, Dr. A, Schit-
jenhelm (Direktor der II. med. Univ.-Klinik
München} die Heilfaktoren des Klimas, was ganz
xsonders für den Arzt von Wert sein wird. Nach
ner Beschreibung der allgemeineren Grundlagen
führt der Verfasser den Leser auf das Gebiet der
Dosierung heilklimatischer Wirkungsenergien und
auf das des Wesens heilklimatischer Kuren,
Prof, Dr. E. Martini (vom Inst, £, Schiffs- und
Tropenkrankheiten Hamburg) ist der Verfasser des
olgenden wichtigen Kapitels: Klima und Krank-
heitserreger. Wie sehr die Verbreitung der Seuchen
ron Wetter und Klima abhängig ist, wird hier
lgemein bekannt sein, Diese kurze, meisterliche
Darstellung führt uns anschaulich die Herrschaft
des Klimas über Seuchenerreger und Seuchenüber-
;räger vor Augen, wobei die Temperatur und die
Feuchte besonders große Bedeutung haben. Beide
3rößen faßt die Praxis zu einem Diagramm, dem
Klimogramm, zusammen (dessen Verwendung auch
jür andere Bereiche der Binoklimatik zu empfehlen
st. Vgl. die Beispiele in den Ann. d. Hydr., 1932,
3761). Am Schluß gibt der Verfasser eine Über-
sicht über Seucheschwankungen und Seuchewellen
historischen Ausmaßes,
Sehr erfreulich ist die Aufnahme eines
Kapitels in dieses Buch, das die Physiologie des
Menschen im künstlichen Klima untersucht, Prof,
Dr. E. Brezina (T.-H, Wien} erörtert hier in über-
sichtlicher Weise die Elemente des künstlichen
Klimas: Kleidungsklima, das Klima des Hauses
and des Zimmers, das Stadt- und Behaglichkeits-
zlima. Auch die Klimatisierung und einschlägige
Meßmethoden werden erörtert.
Prof, Dr. A. Seybold (Heidelberg) betrachtet
lie Pflanze in ihrer Abhängigkeit von Wetter und
Klima, wobei auch hier der Einfluß der Shan
ngehend gewürdigt wird. Das Kapitel: Tier un
Klima wird von Prof, Dr. R, Hesse (Berlin} sehr
anschaulich behandelt,
Den Abschluß des Buches bildet eine außer-
Ordentlich interessante, geistrolle Abhandlung:
Kultur und Klima, die aus der Feder Prof, Dr.
W. Hellpachs (Heidelberg) stammt. Die hier
zrörterten Probleme dürften im Hinblick auf volke-
and rassekundliche Gedankengänge der heutigen
Zeit. von besonderem Wert sein.
Zurückschauend kann man sapyen, daß das
vorliegende Buch nicht nur durch die ianere Ein-
heitlichkeit der einzelnen Abhandlungen und die
ausführliche Behandlung der einschlägigen Fragen,
sondern auch durch die gute Ausstattung mit
Tabellen und Bildmaterial zu einem wirklichen
Lehr- und Handbuch geworden ist, Vermißt wird
ein Eingehen auf die Untersuchungen über die
Einflüsse des Tropen- und Schiffsklimas auf den
Menschen und die Schiffsfracht von Castens,
Ruge, Harries und Semmelhack, die in einer
zo ausführlichen Schrift nicht hätten übergangen
erden dürfen: siehe u, a. Ann, d. Hydr, 1925,
8.177 — 1929, 8, 169 [Schwüle und Bebhaglich-
zeitsgrenzen] — 1933, S. 13 — 10934, &. 273. Ein
Literatur- und Namenverzeichnis am Schluß