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Full text: 67, 1939

Scherhag, R.: Die gegenwärtige Milderung der Winter und ihre Ursachen, 301 
vorigen Jahrhunderts ausgeprägter war als das sich augenblicklich auswirkende, 
und demgemäß erscheint es nicht verständlich, weshalb die Lufttemperatur in 
der Gegenwart so viel höher angestiegen ist. 
In letzter Zeit ist der mögliche temperaturerhöhende Effekt der durch die 
Industrialisierung hervorgerufenen Produktion von Kohlendioxyd in mehreren 
eingehenden Arbeiten von Callendar?) *®) wieder aufgegriffen worden, und der 
Verfasser gelangt zu dem Ergebnis, daß durch die Produktion von CO, in der 
gegenwärtigen Zeit ein Temperaturanstieg von 0.003° pro Jahr erklärt werden 
könnte, schätzt aber selbst ab, daß der tatsächliche Temperaturanstieg in den 
letzten 50 Jahren beinahe doppelt so groß war. Sieht man sich die von 
Callendar?) mitgeteilten Temperaturkurven von New York und Westeuropa 
(Edinburgh, Oxford und Kopenhagen) aber an, so zeigen diese in geradezu 
jdealer Weise und Übereinstimmung ein Maximum um 1830 und ein Minimum 
zwischen 1850 und 1890 und beweisen eindeutig den periodischen Charakter 
der gegenwärtigen Erwärmung. Damit soll ein Einfluß des Kohlendioxyds nicht 
abgeleugnet werden, er reicht aber zur Erklärung der gegenwärtigen Erwärmung 
bei weitem nicht aus, und dann ist zu bedenken, daß diese Temperaturänderung 
immer erst auf dem Umweg über eine Zirkulationsänderung zustande kommt. 
Überdies ist es sehr wohl möglich, die augenblickliche ganz besondere Temperatur- 
erhöhung zu erklären, 
Wir verdanken W. J. Humphreys®) den überzeugenden Nachweis, dem sich 
auch Köppen?) angeschlossen hat, daß die Ansammlung vulkanischen Staubes 
in den höheren Schichten der Atmosphäre eine erhebliche Temperaturerniedri- 
gung hervorruft. Humphreys*) hat gezeigt, daß nach allen bedeutenden 
Vulkanausbrüchen strenge Winter eintraten, wie es ebenso bekannt ist, 
daß nach Vulkanausbrüchen die Sonnenstrahlung teilweise um mehr als 20 % 
abgeschwächt wird. 
Untersucht man nun aber die bekannten Vulkanausbrüche, z. B. an Hand 
des Katalogs von Sapper®), so ergibt sich die bemerkenswerte Tatsache, daß 
gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als die Sonnenflecken ihr letztes 
langperiodisches Minimum erreichten, eine Reihe schwerer Vulkanausbrüche 
erfolgte, vor allem im Jahre 1815 der Ausbruch des Tambora, der die bisher 
gewaltigste Lockermasse der neueren Zeit zutage gefördert hat. Es ist deshalb 
leicht verständlich, daß das damalige besonders starke Sonnenfleckenminimum 
weitgehend kompensiert wurde und z. B. in New Haven (Tab. 16) das Mini- 
mum kalter Winter schon 1800 eintrat. Zugleich war der Zeitraum von 1835 
bis 1875 frei von größeren Vulkanausbrüchen, womit auch der Einfluß 
des damaligen Fleckenmaximums abgeschwächt wurde und die Winter 
nicht so kalt wurden wie zu Anfang des 18, Jahrhunderts. 
Die letzte Periode größerer Vulkanausbrüche ereignete sich zu Ende des 
vorigen Jahrhunderts, wobei der bekannte Krakatao-Ausbruch die nachhaltigste 
Wirkung auf die Sonnenstrahlung ausübte. Sieht man sich die von Kimball*) 
veröffentlichte Strahlungskurve an, so erkennt man die ständige Abschwächung 
der Sonnenstrahlung, hervorgerufen durch eine ganze Reihe weiterer Vulkan- 
ausbrüche in den 80er und 90er Jahren. Es folgten die Ausbrüche von Santa 
Colima und Santa Maria 1902 und des Katımai 1912, dessen Strahlungsvermin- 
derung bis Ende 1914 anhielt. Seitdem ist keine bedeutungsvollere 
Eruption mehr erfolgt, denn bis 1923 ist die Strahlungskurve, abgesehen 
von einer ganz kleinen Einsenkung 1920, konstant, und die kürzlich von 
2) G. S. Callendar, The Artificial Production of Carbon Dioxide and its Influence on 
temperature. Quart. Journ. of the Royal Met. Soc 64, S. 223 (1938). — %) G. S. Callendar, The 
Compositiou of the Atmasphere trough the Ages. The Met, Magazine 74, 5. 33 (1939). — ®) a. a. OÖ. 
S. 233, Fig. 3. — %) W J. Humphreys, Volceanic Dust and Other Factors in the Production of 
Climatie Changes, and their Possivle Kelation to Ice Ages. Bulletin of the Mount Weather Obser- 
vatory, Vol, 6, Part 1 (1913). — %) Eine eingehende barstellung findet man auch in dem Lehrbuch von 
Humphreys, Physics of the Air. 2. Aufl. ersch. 1929 (MeGraw-Hill Book Company, New York), — 
32) K. Sapper, Katalog der geschichtlichen Vulkanausbrüche. Schriften der Wiss. Geselisch. in 
Straßburg, 27. Heit (1917). — %) H. H. Kimball, Variation in Solar Radiation Intensities measured 
at the Surface of the Earth. Monthiy Weather Rev, 52, S. 527 (1924).
	        
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