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Full text: 67, 1939

Scherhag, R.: Die gegenwärtige Milderung der Winter und ihre Ursachen, 299 
Änderung über Kopenhagen, Stockholm und Wilna aber nur gering und über 
Berlin bereits schwach positiv ist. 
Zum Zeitraum 1851/1870 (Abb. 3) beginnt zuerst über Deutschland 
eine erhebliche Milderung der Winter, wobei der Anteil der kalten Monate 
um mehr als 20% zurückgeht. Über Nord- und Südeuropa nimmt die Strenge 
der Winter hingegen noch zu, so daß im Mittel der in Tab. 14 verwendeten 
Stationen dieser Zeitraum der kälteste war. 
1861/1880 (Abb. 4) macht die Milderung der Winter über Zentraleuropa 
weitere erhebliche Fortschritte, während vor allem im Nordwesten unseres Erdteils 
die Winter noch wesentlich kälter werden. Hiermit in völliger Übereinstimmung 
befindet sich der Eischarakter bei Island, dessen S30jähriges Mittel um 1875 
(Tab. 16) erst das Maximum erreichte. Zur gleichen Zeit war nach Speer- 
schneider?) das grönländische Meeresgebiet arm an Eis, und in der Gegend 
von Spitzbergen stand nach Jensen®) die Dorschfischerei gerade in hoher Blüte. 
1883 war die Fangperiode bei Spitzbergen plötzlich zu Ende, und erst in den 
Jahren 1923 und 1924 tauchte der Kabeljau dort zunächst zögernd wieder auf, 
in unseren Abb. 6 bis 8 ist damit in Übereinstimmung angedeutet, daß die Winter 
zu damaliger Zeit in der Ostgrönlandsee noch strenger wurden, 
In Nordeuropa nahm die Milderung dagegen während des Zeitraums 1871/1890 
(Abb. 5) weiter zu, während es jetzt über Südeuropa gerade kälter wurde und 
ein sekundäres Minimum von dort vorübergehend bis Mitteldeutschland und 
Frankreich ausstrahlte (Abb, 6, vgl. auch Tab. 12). Diese Abkühlung hält 
über dem westlichen Mittelmeer bis zur Gegenwart an, während fast 
über dem ganzen übrigen Europa mit Beginn dieses Jahrhunderts (Abb. 7) kalte 
Winter immer seltener werden. Um 1910 erst (Abb. 8) greift die Milderung 
in vollem Ausmaß auf Island über, und zur gleichen Zeit nimmt die Eis- 
bergstärke in der Davisstraße (Tab. 16) schnell ab, an der Nordküste von Norwegen 
machte die Milderung hingegen noch keine Fortschritte und Jensen?) erwähnt, 
daß im Jahre 1902 sich die nördliche Eisgrenze als geschlossener Wall von Spitz- 
bergen über die Bäreninsel bis zur Murmanküste erstreckte, ja, nach einer früheren 
Untersuchung?) erreichte die Eisgrenze zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja 
erst um 1916 ihre südlichste Lage. Erst dann (Abb. 9) macht die Erwärmung 
gerade im hohen Norden gewaltige Fortschritte und ergreift jetzt ebenso das 
östliche Mittelmeergebiet; lediglich in seinem westlichen Teile und an einigen 
Stationen Südnorwegens?) nimmt die Häufigkeit kalter Wintermonate etwas zu. 
Es ist einfach, die Ursachen dieser Anomalien zu erklären. Die Milderung 
der Winter ist nämlich nach den früheren Ergebnissen eine unmittelbare Folge 
giner Zunahme der atmosphärischen Zirkulation, Nun ist aber das westliche 
Mittelmeergebiet in Europa die einzige Gegend, in dem im Winter die Isobaren 
im Mittel von Nord nach Süd verlaufen, und bei der eingetretenen Verstärkung 
des Azorenhochs muß die Nordströmung zugenommen haben, Dies bedingt dann 
aber hier gerade eine Temperaturerniedrigung. Kine ähnliche engbegrenzte 
Störungszone finden wir an der Südküste Norwegens, wo z.B. nach der durch- 
schnittlichen Januar-Druckverteilung nordöstliche Winde vorherrschen müssen. 
Nimmt die Zirkulation zu, so wird hier lokal der Abfluß der schwedischen Kaltluft 
ebenfalls verstärkt und daher eine Milderung der Winter verhindert. Eine ganz 
ähnliche Störungszone ist an der Ostküste des Schwarzen Meeres (Abb. 9) angedeutet. 
Auch Labrador und ein Teil von Ostasien gehören zu den Ausnahmegebieten, 
in denen die Häufigkeit kalter Wintermonate in den letzten Dezennien zuge- 
nommen hat, denn in beiden Räumen ist die mittlere Strömung im Winter aus 
einer kalten Gegend in ein wärmeres Gebiet gerichtet, In Abb. 10 ist die 
Änderung der Differenz zwischen der Anzahl sehr warmer und sehr kalter 
Wintermonate, die auch in den vorhergehenden Tabellen schon öfters benutzt 
worden ist. von 1881/1900 bis 1911/1930 ihrem Vorzeichen nach für die ganze Erde 
%) C. H. I. Speerschneider, The State of the Ice in the Davis Strait 1820—1930. Publ. from, 
the Danish Meteor. Inst. Meddelelser Nr. 8 (Kopenhagen 1931). — 2) a.a.0. 5.52, — X)ya.a. O0 
S. 46, — %) R. Scherhag, Eine bemerkenswerte Klimaänderunz über Nordeuropa. Ann. Hydr. 64, 
8. 96 (1936). — %) Diese Daten wurden der Arbeit von B,J. Birkeland, Mittel und Extreme der 
Lufttemperatur, Geof, Publ. 14, Nr, 1, entnommen.
	        
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