Scherhag, R.: Die gegenwärtige Milderung der Winter und ihre Ursachen. 298
Meeresströme ergriffen hat. Damit geht parallel eine erhebliche Abnahme
der Eisbergstärke im Labradorstrom (vgl. Tab. 16), die wir später noch näher
besprechen werden,
Ebenso ist es beachtlich, daß die erste von der Westseite des amerikanischen
Kontinents vorliegende Temperaturreihe des Pazifiks (Zone 12 der Tab. 1)
in den letzten Jahren ebenfalls einen beträchtlichen Temperaturanstieg
aufweist, Es stellt sich also immer mehr heraus, daß die Meerestemperatur
auf dem größten Teil der Erde in den letzten Dezennien gestiegen ist
(vgl. auch den neuen Beitrag von E. Goedecke®) über die Temperaturerhöhung
in der Deutschen Bucht).
In gleicher Weise wie früher’) sind in Tab. 2 jetzt sämtliche vorliegenden
Reihen der Meerestemperatur längs der amerikanischen Küstengebiete in bezug
auf ihre Abweichung vom Mittel während der Periode 1912 bis 1931 bzw. 1933
zusammengestellt, wobei man jetzt als mittlere Temperaturerhöhung in den
letzten 15 Jahren +4-0.51° erhält, ein Betrag, den man als sehr beachtens-
wert ansehen muß.
Von welch einschneidenden biologischen Änderungen die Erhöhung
der Meerestemperatur im isländischen und grönländischen Raum sowohl wie in
der Gegend von Spitzbergen und der Barentssee begleitet ist, hat kürzlich in
einer eingehenden Abhandlung, auf die wir noch mehrmals zurückkommen werden,
Ad. S. Jensen®) beschrieben. Es geht daraus ebenso wie aus unseren früheren
Untersuchungen und der neuen Temperaturreihe aus dem Labradorstrom hervor,
daß das Ausmaß der Temperaturerhöhung zweifellos in der Arktis am größten
ist. Bedenkt man aber, daß die Ausdehnung der Polargebiete im Vergleich zu
den Subiropen und der Tropenzone nur gering ist, so muß man die Änderung
der Meerestemperatur im Ursprungsgebiet des Golfstroms sicher als noch bedeu-
tungsvoller ansehen, denn sie beweist, daß wir es sehr wahrscheinlich mit einer
durch vermehrte Strahlung bedingten Erhöhung des Luft- und Meeresraumes in
den Tropen und Subtropen zu tun haben, die als Ursache der Erwärmung fast
der gesamten Erde und der entsprechenden Steigerung der atmosphärischen
Zirkulation anzusehen ist. Es soll deshalb im nächsten Abschnitt gezeigt werden,
daß auch in den eigentlichen Tropen eine Erhöhung der Lufttemperatur festzu-
stellen ist.
3. Die Erwärmung der Tropen.
Es wurde bereits in einer früheren Arbeit®) gezeigt, daß in der Tropenzone
eine, allerdings nur geringe Temperaturzunahme im Jahrzehnt 1921 bis 1930
eingetreten ist. In Tab, 3 werden auf Grund der Angaben in den World Weather
Records zunächst die mittleren Jahrzehnt-Temperaturen von Batavia aufgeführt,
die schon seit 1870 einen stetigen Temperaturanstieg erkennen lassen, der
inzwischen 0.5° überschreitet. Anschließend sind die Mitteltemperaturen für
sämtliche zwischen 20° Nord und 20° Süd in den World Weather Records auf-
geführten Stationen, getrennt für einzelne großräumige Zonen, zusammengestellt,
Die zweite Gruppe, umfaßt die weitere Nachbarschaft von und einschließlich
Batavia: Drei Orte auf Ceylon und einer auf Borneo, die sämtlich ein Temperatur-
maximum um 1905 aufweisen, zwölf Stationen in Vorder- und Hinter-Indien, vier
auf den Philippinen, eine in Nordaustralien und Hongkong, und das Ergebnis
ist ähnlich: Während der letzten 20 Jahre war es in diesem Raum etwa
0.2 bis 0.3° wärmer als zu Ende des vorigen Jahrhunderts.
Die dritte Gruppe umfaßt neun Stationen im dquatorialen Afrika, Aden,
St, Helena und je eine auf den Seychellen und Madagaskar: Der kontinuierliche
Tempveraturanstieg überschreitet in den letzten 30 Jahren 0.2°
S) E. Goedecke, Beitrag zur Hydrographie der Helgoland umgebenden Gewässer, I. Ann,
Hydr. 67, S. 161 (1939). — 7?) Ann. Hydr. 1939, S. 58. — %) Ad. S. Jensen, Concerning a Change
of Climate During Recent Decades in the Arctic and Subartic Regions, from Greenland in the West
to Eurasia in the East, and Contemporary Biological and Geophysical Changes, Det Danske Viden-
skabernes Selskab. Biologiske Meddelelser XIV, 8. (1939). Eingehende Besprechung dieser Arbeit folgt
in einem der nächsten Hefte. — *) R. Scherhag, Die Zunahme der atmosphärischen Zirkulation
in den letzten 25 Jahren. Ann. Hydr. 64, 8. 397 (1936). Siehe insbesondere Tafel 63, Fig. 11.