Ann. d. Hydr, usw., LXVIL Jahrg. (1939), Heft VI.
IR?
Der Deutsche Reichswetterdienst.
Yon R. Habermehl,
A, Vorbemerkung,
Da noch vielfach Unklarheit über die Organisation des deutschen Wetter-
dienstes besteht, die internationale Zusammenarbeit durch Kenntnis der Organi-
sations- und Arbeitsformen der einzelnen Länderwetterdienste jedoch zweifellos
eine Erleichterung und Förderung erfährt, soll in nachfolgendem ein Bild von
der Gestaltung des „Reichswetterdienstes“ yzegeben werden.
B. Geschichtlicher Überblick über die Errichtung des Reichswetterdienstes,
Bereits im Jahre 1929 hatte Professor Dr. Linke, der Direktor des Meteoro-
logisch-Geophysikalischen Instituts der Universität Frankfurt a./M., in einer
Denkschrift „Die meteorologischen Institute und Organisationen im Deutschen
Reich“ die Aufmerksamkeit der Reichsressorts auf die Zersplitterung des meteo-
rologischen Dienstes ausführlich hingewiesen und Vorschläge für eine Ver-
besserung unterbreitet, Wenn auch im Laufe der folgenden Jahre eine geowisse
Vereinfachung bei den einzelnen Dienstzweigen der angewandten Meteorologie
durchgeführt werden konnte, so blieb dennoch eine ganz beträchtliche Unein-
heitlichkeit der meteorologischen Reichs- und Länderdienste infolge ihrer Be-
lreuung durch 16 verschiedene Reichs- und Länderministerien bestehen,
Es war daher eine Selbstverständlichkeit, daß im Zuge der im Jahre 1934
einsetzenden Reichsreform auch eine durchgreifende Reform des Wetterdienstes
erfolgte.
Sie erstreckte sich auf folgende Dienstzweige der angewandten Meteorologie:
a) den Flugweiterdienst, die Wetterberatung der Verkehrs- und Sport-
luftfahrt ;
b} den Wirtschaftswetterdienst, dessen Aufgabe in Deutschland in der
Wetterberatung von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Verkehr durch
Abgabe von Wettervorhersagen in Presse, Rundfunk und durch Wetter-
karten besteht;
den Seewetterdienst der Deutschen Seewarte, der die Wetter-
beratung und -forschung für Zwecke der Schiffahrt, Fischerei und Ozean-
Luftfahrt versieht;
3} den Höhenwetterdienst (Aerologie);
e) den Klimawetterdienst (Klimatologie).
Zum besseren Verständnis der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Neu-«
regelung sei zunächst noch ein Bild der früheren Organisation gegeben,
Die meteorologischen Dienststellen des Wirtschafts- und Klima-Wetterdienstes
anterstanden in selbständigen Instituten den Ländern (Preußisches meteoro-
‚ogisches Institut, Landeswetterwarten usw,). Flug- und Seewetterdienst wurden
zwar vom Reich betreut, waren aber ressortmäßig getrennt. Der Flugwetter-
dienst unterstand dem Reichsluftfahrtministerium, der See- und Ozeanflugwetter-
dienst in der Deutschen Seewarte dem Reichsverkehrsministerium,
Neben dieser durch die ressortmäßige Trennung bedingten Uneinheitlichkeit
wies die seitherige Organisation folgende weitere Mängel auf: Flug-, Wirtschafts-
and Seewetterdienst arbeiteten bei im wesentlichen gleichen Arbeitsgrundlagen
ohne gegenseitige Ausnutzung und Befruchtung nebeneinander. Mehrere Beob-
achtungsnetze der Länder und des Reiches bestanden nebeneinander, Die In-
angriffnahme wichtiger Aufgaben des gesamten praktischen Wetterdienstes wurde
durch die Uneinheitlichkeit der seitherigen Organisation gehemmt. Eine plan-
mäßige Personalpolitik konnte nicht betrieben werden, insbesondere war der
Personalaustausch gehemmt; die Schaffung einer meteorologischen Laufbahn
war durch die frühere, vornehmlich durch die Ländergrenzen bestimmte und
daher zu schmale Personalbasis unmöglich,
Ann. €. Hrdr. usw. 1939, Heit VL
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