Defant, A.: Das Druck- u. Stromfeld in Stromsystemen u. ihre Wechselbeziehungen zueinander. 941
Fragestellung geht demnach das Problem der Übertragung von oberflächlichen
Druckstörungen auf die unteren Schichten eines stabil aufgebauten Ozeans direkt
an. Die mathematische Durchführung der Untersuchung wird schwieriger
als früher und findet eine Lösung unter der Annahme, daß in jeder isopykni-
schen Schicht die stabil gelagerten Wassermassen immer ihre absolute Wirbel-
intensität (vortichy) beibehalten. Das Resultat ist, daß sich auch noch in der
Unterschicht beträchtliche Gradientströme, sogar in nächster Nähe des Bodens
ausbilden können, daß also Störungen an der Oberfläche sogar bis in die tiefsten
Schichten durchgreifen, Das Maß für dieses Durchgreifen hängt aber in einem
Ozean normaler Stabilität von den seitlichen Dimensionen (Oberflächenausdehnung)
der vorgegebenen Druckstörung ab. Von Störungen an der Oberfläche von pur
wenigen Kilometern Ausdehnung wird man am Boden der geschichteten Unter-
schicht (dafür wurde 1800 m angenommen) kaum etwas merken, aber bei Stö-
rungen von einer Breite von 200 oder 300 km wird das Druckgefälle am Boden
noch ungefähr die Hälfte des Oberflächenwertes annehmen. Auch wenn die
stabil gelagerte Unterschicht noch von einem homogenen Tiefenwasser gegebener
Mächtigkeit (homogene Bodenschicht) unterlagert wird, können noch Druck-
gradienten von oben her mit genügender Intensität durchgreifen, um über weite
Flächen beträchtliche Strömungen zu erzeugen, wenn auch in diesem Fall die
Abschwächung größer ist als früher,
Diese wichtigen und interessanten Ergebnisse der Untersuchung Rossbys
gelten natürlich, namentlich was die Unterschichten betrifft, nicht für die
stetigen, stationären Bewegungen in einem Ozean, also wenn wir uns anders aus-
drücken wollen, für die normale stationäre ozeanische Zirkulation. Aber wir
dürfen hierbei nicht vergessen, daß die großen atmosphärischen Windsysteme
namentlich die der gemäßigten und subpolaren Breiten doch großen unperiodi-
schen Störungen unterliegen und diese sich gewiß auf die ozeanische Zirkulation
übertragen werden. Wir können nicht mehr annehmen, daß diese Störungen im
Ozean nur oberflächlicher Natur sind und nicht auch die tieferen Schichten be-
einflussen, Im Gegenteil, wenn die Störungen genügend groß und genügend
ausgedehnt sind, greifen sie bis in die tieferen und tiefsten Schichten dureh,
Diese Schichten würden dann nicht nur einer thermischen Zirkulation, bedingt
durch die polare Abkühlung in der Arktis und Antarktis, unterliegen, sondern
auch mehr oder minder schwachen Bewegungen mehr unperiodischer Art, die
von der Oberfläche teilweise bis zu den Bodenschichten durchgreifen.
Es ist auffallend, daB sich bei der Bearbeitung des Beobachtungsmaterials
des ganzen Atlantischen Ozeans im „Meteor“ Werk eine ähnliche, wenn auch nicht
so ganz extreme Auffassung, wie Rossby sie hier auseinanderlegt, allmählich
ausgebildet hat. Daß unperiodische Störungen auch noch in den tieferen Schichten
auftreten, zeigte bereits der Vergleich der Beobachtungswerte von ozeanographi-
schen Stationen, die zeitlich verschieden, an praktisch ein und demselben Ort aus-
geführt wurden?!). Die Unterschiede sind manchmal so groß, daß sie über die
Fehlergrenze der Messungen hinausgehen und als unperiodische Veränderungen
entweder der ozeanischen Tiefenzirkulation als solche oder als von oben stam-
mende gelegentliche Störungen angesehen werden müssen. Aber diese Unter-
schiede haben sich überall als nicht so groß erwiesen, daß sie die Untersuchung
über die Ausbreitung der Wassermassen in, den verschiedenen Etagen des At-
lantischen Ozeans wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht hätten, Wir
müssen deshalb wohl annehmen, daß in den tieferen Schichten der Ozeane die
unperiodischen Störungen, wenn auch vorhanden, doch gering in ihren Auswir-
kungen auf Temperatur und Salzgehalt und vielleicht auch nicht so häufig sein
werden, Sie würden dann in ihren Wirkungen gegenüber den mehr stetig sich
ändernden Einflüssen der großen stationären ozeanischen Zirkulation zurück-
stehen. Zwischen dem thermo-halinen Aufbau des Meeres und der in ihm vor-
handenen Wasserbewegungen besteht eine Wechselbeziehung, die uns erlaubt,
1) Siebe besonders G. Wüst. Stratosphäre, Bd. VI, 1 der Wiss, Erg, der „Meteor“ Expedition
1925-—1927 im Kapitel: Weitere Anzeichen von unperiodischen Veränderungen der Temperatur und des
Salzgehaltes 8, 194 ff.
Aun. d. Hrdr. uew. 1939, Heft V.