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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1939,
Am 10, XIL vormittags herrschte in der nördlichen Nordsee ein Wind aus 10°
bis 20°, also etwas ablandig. Der kurze Weg vom Festland (Jütland) bis zur
Insel Sylt, ja auch bis Amrumbank, genügte noch nicht, um die Labilität stark
genug werden zu lassen, Daher war nach Abzug des großen Niederschlags-
gebietes der Ostseestörung kein Niederschlag im List und Amrumbank zu ver-
zeichnen bis zum 11. XIL 8 Uhr. Der ganze Küstenstreifen bis zur Elbmündung
war also bei einer Strömung aus Nordnordost frei von Schnee. Von Sylt aus
ist geringe Sc-Bewölkung in 600 m über See zu erkennen. Die Sicht ist an der
ganzen Küste sehr gut.
Die Temperaturverteilung in Norderney zeigt die Labilität (s. Fig. 5). Bei
der relativ trockenen Luft (cAK) ist das Kondensationsniveau etwa 700 m. Der
Klartext des Aufstieges gibt von 700 bis 900 m 7/10 Sc über See. Das stimmt
auch etwa mit den Wolken überein, die von Sylt aus in 600 m gesehen wurden,
Weiter nach See zu nimmt die Bewölkung zu, So daß bereits Helgoland bedeckt
ist. Die Wolkenhöhe scheint nach See zu abzusinken, Dies wird durch die
Temperaturverteilung in Norderney verständlich. Es muß angenommen werden,
daß über See Temperaturen über 1°C angetroffen werden, zumal die weiter
oben erwähnten Schiffe 4° C meldeten. Borkumriff meldete um 8 Uhr 3° und
um 11 Uhr noch 2%. Legen wir eine Temperatur von 1.5° zugrunde und eine
Feuchte von 85 %, so ergibt das, auf die Norderneyer Temperaturkurve an-
gewandt, ein Kondensationsniveau von 350 m. Noch weiter auf See hinaus würde
sich für 2° und 90 % bereits das Kondensationsniveau in Bodennähe ergeben,
da die Temperaturkurve bis 200 m der Kurve der maximalen spezifischen
Feuchte fast parallel verläuft, Daß die Wolkenhöhe über See niedriger war,
gibt die Wolkenhöhenangabe von Helgoland mit 200 bis 300 m. Ein weiterer
Beweis dafür ist, daß am Nachmittag des 10, XII, als die Winde auf 330° bis
340° drehten und damit eine Komponente von See hatten, die Bewölkung von
See auf die Insel Sylt trieb. Die Höhe war höchstens 200 bis 300 m. Die Menge
betrug 8 bis 9 Zehntel.
Je niedriger nun bei dieser Temperaturverteilung das Kondensationsniveau
liegt, desto größer wird die Labilitätsenergie; die Auslöseenergie wird immer
geringer, Damit verschiebt sich die Wolkenbasis in immer geringere Höhe,
Bei einmal :eingeleiteter Wolkenbildung können die Luftteilchen nun frei an-
steigen, bis die Energie verbraucht ist. Dies ist in um so größerer Höhe der
Fall, je niedriger die Basis war.
Beim Erreichen einer spez. Feuchte von ungefähr 4 g/kg kann die Wolken-
bildung ausgelöst werden. Das Ausgleichsniveau liegt dann über 3 km, so daß
bis zu dieser Höhe die Wolkenbildung erfolgen kann. Der Betrag von 4 g/kg
wird über See nach Lage der Dinge etwas westlich von Amrumbank und Helgo-
land erreicht, wo die Temperatur der Luft die vorgeschriebenen Werte erreicht.
Aus dieser Wolke fällt Niederschlag. Dieser treibt mit der Höhenströmung
nach Süden, so daß dort auch Schnee fällt, obwohl dort die Temperaturen nicht
die notwendigen Werte erreichen, ; ;
Der Niederschlag: Ein Flugbericht sagt folgendes aus: „Flug aus Richtung
Cuxhaven nach Norderney. Bei Wangerooge plötzlich ein breites Nebelfeld,
das sich bis zur Küste erstreckt. In 50 m Höhe keine Erdsicht, Beim Rück-
fiug zur Jademündung erreicht das Nebelgebiet dort die Küste. Beim Aus-
weichen nach Osten wurde festgestellt, daß sich das Gebiet weit nach Norden
noch erstreckte bis knapp westlich Amrumbank, wo die Grenze nach Nordwesten
zurückgeht. Ausdehnung des Nebelgebietes nach Westen sehr weit.“
Bei dieser Wetterlage ist Nebel über See nicht zu erwarten. Die arktische
Luft verläßt mit einer Feuchte von 55 bis 75% die Küste. In Norderney
beträgt die Feuchte 85%. Nimmt man an, daß die Temperatur der Luft über
See die Höhe der Wassertemperatur erreicht, so daß eine große Temperatur-
differenz zwischen der Luft über Land und über Wasser besteht, so kann nie-
mals Mischungsnebel erreicht werden, da sich nur Mischungsfeuchten von 90
bis 95 % ergeben. Wie nun aus Fig. 7 hervorgeht, stimmt die Ostgrenze des
vermeintlichen „Nebelgebietes‘‘ mit der des Schneefallgebietes überein, Die