Pratje, O.: Aufgaben und Ziele der Grundprobensammlung der Deutschen Seewarte. 93
Klimawechsel in der Vorzeit, auf Veränderungen des Meeresbodens durch Auf-
steigen oder Absinken von Schwellen, durch Verschiebung der Küstennähe und
dergleichen schließen. Daß die Geographie an allen diesen Dingen interessiert
ist,. ist bei der großen Ausdehnung des Meeresbodens selbstverständlich, aber
auch Geophysik, Bakteriologie und andere haben sich bereits eingend damit
befaßt. Kurzum, man vermag eine große Summe von neuen Erkenntnissen aus
dem Meeresboden zu gewinnen.
Diese Erkenntnisse vermögen ihrerseits wieder rein praktischen Nutzen zu
bringen, indem etwa nutzbare Lagerstätten am Meeresboden aufgefunden werden,
die eine Ausbeutung zulassen.
Die Schwierigkeit der Erforschung des Meeresbodens liegt darin, daß man
ihn, abgesehen von den kleinen Flächen im flachen Wasser, die für einen Taucher
begehbar sind, nicht betreten und übersehen kann. Während man sich auf der
festen Erde bei der Erforschung eines Gebietes die charakteristischen Proben
zur Untersuchung aussuchen und ihre Ausdehnung mit dem Auge feststellen kann,
weiß man bei einer Probe vom Meeresboden niemals mit Sicherheit, ob die Nachbar-
schaft ebenso aussieht. Deshalb hilft hier nur eines: Eine möglichst große
Zahl von Grundproben, die nicht immer leicht zu beschaffen ist. Diese
Schwierigkeit hat es mit sich gebracht, daß bis heute nur wenige Meere eingehend
bekannt sind. Erst durch die Mitarbeit vieler wird man im Laufe der Zeit
genügend Material zusammenbekommen, um die Lücken nacheinander zu schließen,
Der Verfasser sammelte, um die Grundlagen für seine Untersuchungen über
den Meeresboden zu bekommen, bereits 1920 Grundproben zunächst als persön-
liche Angelegenheit. 1924 kam es zu einer Vereinbarung mit dem Reichspost-
ministerium über die Grundproben, die bei den Kabelinstandsetzungsarbeiten
besonders in den Pilzankern gewonnen wurden, Die „Meteor“. Expedition 1925 bis
1926 und spätere Fahrten auf dem Reichsforschungsdampfer „Poseidon“ gaben
die Möglichkeit, in verschiedenen Meeren planmäßig Grundproben zu gewinnen.
Auch Grundproben vom Anker wurden weiter gesammelt, auf der „Meteor“-
Expedition wurde dieses Gerät ebenfalls ausgenutzt, ferner bot eine Reise rund
um Afrika persönlich Gelegenheit dazu; die Seekabelwerke unterstützten die
Sammlung, und 1932 wurde in einer Anleitung‘) darauf hingewiesen. Durch die
tätige Mitarbeit von Instituten und Behörden brachte ich bis Anfang 1937 ohne
Strandsedimente über z000 Meeresgrundproben zusammen, die nunmehr der See-
warte zur Verfügung stehen,
Als die Deutsche Seewarte in Würdigung der Bedeutung des Meeresbodens
am 1. Juni 1937 das Sachgebiet für Meeresgeologie einrichtete®), wurde sogleich
mit der planmäßigen Untersuchung von Meeren begonnen, indem regelmäßig
Fahrzeuge meist ausschließlich zur Grundprobengewinnung und Untersuchung
des Meeresbodens ausgerüstet und hinausgeschickt wurden, Nachdem dann die
nötigen Behälter aus paraffinierter Pappe beschafft waren, konnte im Februar
1935 an die Reedereien mit der Bitte um Mitarbeit herangetreten werden. Da
die Kriegsmarine das Seekartenwerk herausgibt, hat sie ein Interesse daran, daß
eine Zentralstelle besteht, die sie dabei in bezug auf die Bodenangaben unter-
stützen kann. Deshalb waren die Marinedienststellen angewiesen worden, in
dieser Angelegenheit nur noch mit der Deutschen Seewarte zu verkehren und
ihre Sammlung zu unterstützen, und im Juni 1938 erfolgte, um alle Zweifel zu
beheben, ein erneuter Erlaß des Oberkommandos der Kriegsmarine, daß die
Kriegsmarinedienststellen Grundproben ausschließlich an die Deutsche Seewarte
liefern dürften. Die von der Meeresgeologischen Forschungsstelle Kiel-Kitzeberg
geleistete Vorarbeit, über die Professor Wasmund im Januar-Heft dieser Zeit-
schrift berichtet hat, war für den Aufbau der neuen Organisation von großem
Nutzen.
Im Oktober 1937 hat der Reichsverkehrsminister die ihm unterstellten Wasser-
baudirektionen und entsprechenden Behörden zur Mitarbeit angehalten. Die
?) Pratje, Otto. Gewinnung und Untersuchung der Meeresgrundproben. Handbuch d. biolog.
Arbeitsmethoden v, Abderhalden. Abt, IX, T. 6, S. 399. Berlin 1932, — %) Die Vorarbeiten gehen
auf das Jahr 1936 zurück.