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Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Februar 1939.
Aufgaben und Ziele der Grundprobensammlung der Deutschen Seewarte.
[37. Beitrag zur Geologie der Meere*).]
Von Otto Pratje, Hamburg,
Sowohl beim Nautiker wie beim Wissenschafter hat der Meeresboden in der
neueren Zeit erhöhtes Interesse gefunden, so daß sich allmählich seine bis dahin
etwas stiefmütterliche Behandlung gebessert hat, Früher schien dem Seemann
der Meeresboden ohne besondere Bedeutung zu sein, sobald er genügend Wasser
unter dem Kiel hatte und die normalen Ankertiefen bis zu 50 bis 60 m über-
schritten waren. Entsprechend hatten und haben noch heute viele Seekarten
nur in der Nähe der Küsten in flacherem Wasser eine größere Anzahl von Tiefen-
angaben und Bodenbezeichnungen.
Dann kam das Echolot als neues navigatorisches Hilfsmittel und damit das
Verlangen nach einer genaueren Darstellung des Meeresbodens auch in größeren
Tiefen. Da außerdem in manchen Fällen das Echolot auf die Art der Boden-
bedeckung zu reagieren scheint, indem über Sand boden eine scharfe Tiefenangabe
erscheint, während über sehr weichen Boden mehrere Angaben gleichzeitig er-
folgen können, ist auch die Bodenbezeichnung wichtig. Diese Beobachtungen sind
noch nicht restlos geklärt, sie bedürfen aber in jedem Falle der Bodenangaben,
Eine Ergänzung der Bodenangaben auch in den flachen Gewässern ist auf
manchen Seekarten, besonders von außereuropäischen Gewässern erwünscht, damit
sie unter allen Umständen den Seemann dort, wo überhaupt ein Ankern möglich
ist, beraten können. Die Fischer haben ein noch weitergehendes Interesse am
Meeresboden, da Hindernisse wie große Steine und Klippen ihre Grundnetze
beschädigen können und da andererseits die am Boden stehenden und auf ihm
lebenden Fische vom Untergrund abhängig sind. Die Fischdampfer fischen jetzt
schon bis zu 500 m Wassertiefe, so daß Bodenkarten bis zu diesen Tiefen ein
unmittelbares, praktisches Bedürfnis sind, Während die Küstenfischer das für
sie in Frage kommende Gebiet in der Regel gut kennen, sind die Fischdampfer
und -logger oft gezwungen, ihre Fangplätze zu wechseln und sich nach neuen
Gebieten umzusehen, und dabei würden ihnen Fischereikarten mit zuverlässigen
Grundangaben wichtige Fingerzeige geben können.
Auch für die reine Wissenschaft ist der Meeresboden von wesentlicher Be-
deutung, denn zwei Drittel der Erdoberfläche sind vom Wasser bedeckt, und es
ist daher ein durchaus begreifliches Bestreben des Menschen, wissen zu wollen,
was unter der Wasserdecke liegt und woraus die eigentliche Erdoberfläche besteht.
Es wäre daher bedauerlich, wenn die zahlreichen für die Praxis gewonnenen
Angaben nicht der Wissenschaft nutzbar gemacht würden, wie sie umgekehrt
ihre Ergebnisse der Praxis zur Verfügung stellt, Im einzelnen ist die Geologie
stark am Meeresboden interessiert, weil sie die Entstehung und den Aufbau der
Erde erforscht und die Gesteine unserer Gebirge, soweit sie nicht aus dem glut-
flüssigen Erdinnern stammen, meist ursprünglich in einem Meere abgesetzt
wurden. Um Hinweise zur Ausdeutung dieser alten Meeresgesteine zu bekommen,
muß man die heute im Meere ablaufenden Vorgänge kennen, die zur Bildung
von Absätzen am Meeresboden führen. Für die Ozeanographie ist der Meeres-
boden von Bedeutung, weil die Formen die Strömungen des Wassers beeinflussen
und weil ferner die verschiedenen Wasserarten und Geschwindigkeiten auf die
Sinkstoffe einwirken und so in der Bodenbedeckung eine durchschnittliche Ab-
bildung der Kräfte im Meere gegeben wird. Der Biologe findet in den Ablage-
rungen die Schalen und Skelette der im Meere lebenden Tiere und Pflanzen
wieder, ja, man kennt viele Kleinlebewesen bisher nur aus diesen Resten, ohne
sie lebend gesehen zu haben. Die Verbreitung der Schalen am Meeresboden ist
oft besser bekannt als in den Wasserschichten, in denen die Tiere leben. Wenn
man dann tiefer in die Bodenablagerungen eindringt, so ändern sich teilweise
die Arten der Lebewesen, und wir bekommen unter Umständen Entwicklungsreihen
von Tieren und Pflanzen, die für den Biologen wie Paläontologen gleich be-
deutungsvoll sind. Außerdem kann man aus dem Wechsel in der Verbreitung auf
1} Der 36, Beitrag zur Geologie der Meere: Geol. Jahresberichte 1, 8. 49. Berlin 1938,