Freiesleben, H. ©, % Lange, E.: Gesetzmäßige Verfälschung von Zeitbesümmungen usw. 61
Der Neubau der Deutschen Seewarte kann in entsprechender Weise die Be
obachtung der Meridiandurchgänge von Sternen beeinflussen. Dies kann‘ in
zweierlei Weise geschehen, die aber in gleicher Richtung wirken wird. Im Sommer
kann nach ausgiebiger Sonnenbestrahlung
das Gebäude abends noch Wärme aus-
strahlen und damit die Luftschichtung, der
nebenstehenden Figur bewirken. Ebenso
kann in sehr kalten Winternächten das
geheizte Gebäude in gleicher Weise zu
Unregelmäßigkeiten der untersten Lauft-
schichten Anlaß geben. Während der zweite
Fall noch untersucht werden muß, kann
[für den ersten bereits der Einfluß des
Gebäudes nachgewiesen werden, allerdings
in nicht sehr hohem Betrage und außerdem
in so ausgesprochener Abhängigkeit von der Wetterlage, daß mit dem winter-
lichen Auftreten des Fehlers wohl praktisch nicht zu rechnen. ist.
Wie wird nun eine Luftschichtung wie die vorstehend gezeichnete auf Durch-
gangsbeobachtungen von Gestirnen wirken? Man darf für diesen Fall nur die
vertikale Komponente des Lichtstrahles betrachten, da es für diese Frage bei
der Zeitbestimmung gleichgültig ist, in welcher Zenitdistanz der Stern durch den
Meridian geht. Die schräge Schichtung der Imft wird natürlich die Strahlen
verschiedener Zenitdistanz verschieden brechen, bezüglich der Seitenrefraktion
für den Durchgang aber ist, wenigstens wenn die Schichten genau in der Nord-
Südrichtung verlaufen, stets die gleiche Ablenkung maßgebend, Da die Licht-
strahlen. nahe am Instrument in die dureh den Neubau erwärmten Sehichten ein-
treten, gelangen sie in ein optisch dünneres Medium, werden also vom Einfallsiot
weggebrochen werden, Die zenitale (vertikale) Komponente ist allein. zu be-
trachten und diese wird also nach links abgelenkt. Ein vom richtig aufgestellten
Instrument aus genau in der Meridianebene beobachteter Lichtstrahl kommt aus
dem gleichen Grunde von einem Gestirn, das noch nicht im Meridian steht, Die
Luftschichtung bewirkt also, daß die Sterne vor ihrem wirklichen Durchgang
durch den Meridian beobachtet werden. Das heißt aber, daß die Uhrzeit eines
beobachteten Meridiandurchganges zu klein, der damit ermittelte Uhrstand aber
zu groß ist,
Es ist nux nicht zu erwarten, daß sich die Luftschichtung immer in gleicher
Weise ausbildet. Da der Neubau der Seewarte nicht nordsüdlich verläuft, sondern
ungefähr von NNO nach SSW, kann auch nicht angenommen werden, daß für
alle Sterne die gleiche Luftschichtung maßgebend ist, Insbesondere ist zu be-
achten, daß das Instrument noch einige Meter nördlich des Neubauendes steht,
so daß Zenit- und Nordsterne wahrscheinlich von diesen ganz lokalen Schichtungen
weniger betroffen werden, als Südsterne. Aus allen diesen Gründen ist es von
vornherein unwahrscheinlich, eine sehr weitgehende Korrelation zwischen gesetz-
mäßigen Abweichungen der Uhrstände einerseits und irgendwelchen. meteoro-
logischen Daten andererseits zu. finden,
Äuch die Abweichungen der Uhrstände sind natürlich mit Fehlern behaftet.
Die Genauigkeit der einzelnen Beobachtung wird außer durch die atmosphärischen
Verhältnisse bedingt durch die Mangelhaftigkeit der Sternörter der benutzten
Sternkataloge und vor allem durch die unvermeidlichen Fehler des Beobachters.
Auch aus diesen Gründen wird die Korrelation keine hundertprozentige sein
können,
Der durch eine astronomische Zeitbestimmung ermittelte Uhrstand der Quarz-
uhr wird nicht unmittelbar als richtig angesehen, Vielmehr werden. die sämt-
lichen gewonnenen Uhrstände eines zweimonätigen. Zeitabschnittes einer Aus-
gleichung unterworfen, auf Grund. deren die Angaben. der Quarzuhr an das
astronomisch. bestimmte Zeitmaß angeschlossen werden, Auch die systematischen
Fehler der beteiligten Beobachter (persönliche Gleichung) werden dabei ermittelt
und. in Rechnung gezogen. Im einzelnen aber ist die Quarzuhrangabe maßgebend,
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