Ann. d. Hydr. usw., LXIV. Jahrg. (1936), Heft X.
491
Uber Winkeltreue in Kartenentwürfen.
Von H, Maurer, Berlin.
(Hierzu. Tafel. 64.3
In den Lehrbüchern der Kartenkunde wird die Winkeltreue in Kartenpunkten
öder von Kartenentwürfen meist nach der Verzerrungslehre von Tissot ab-
geleitet. Dabei wird der Verwendung der Differentialrechnung mehr oder weniger
yewandt ausgewichen, wenn deren Kenntnis beim Leser nicht vorausgesetzt
werden soll, Neuerdings hat sich A. Wedemeyer!) in verdienstvoller Weise
um die elementare Behandlung der Winkeltreue in Kartennetzen bemüht, Er
faßt den Inhalt seiner ausführlichen. Abhandlung in der Form zusammen:
„Aus dem normalen azimutalen Netz der stereographischen Karte, deren
Winkeltreue bewiesen wird, lassen sich mit Hilfe der Loxedrome leicht die
Halbmessergesetze der winkeltreuen. zenitalen Netze ableiten, Die zenitalen
Entwürfe bieten gegenüber den azimutalen den Vorteil, daß sie Zonen der Erde
im einem. einheitlichen Maßstab darstellen, wodurch ihre praktische Brauchbarkeit
wesentlich erhöht wird. Den gleichen Vorteil bietet auch der zenitale Merkator-
entwurf, da er zwei zum Grundkreis parallele Kreise längentreu abzubilden
gestattet, was für Navigationskarten in der Luftschiffahrt wichtig ist. Durch
die Inversion werden aus den zenitalen Netzen die Lambertschen winkeltreuen
Kreisnetze gewonnen, Aus allen Netzen werden durch Darstellung der Groß-
kreise und der Azimutgleiche durch die Ecken eines Quadrantendreiecks neue
winkeltreue Netze abgeleitet. Die Kugel wird dabei unmittelbar auf der Ebene
abgebildet. Alle Entwicklungen sind elementar durchgeführt, Statt des schwer
zu rechnenden und zu zeiehnenden Netzes der Weltkarte von August wird ein
Lambertsches Kreisnetz vorgeschlagen, das leicht zu entwerfen ist und der
Karte von August an Güte nicht nachsteht,“
[In dieser Zusammenfassung sowohl wie in der Arbeit überhaupt ist manches
hicht leicht zu verstehen, da der Verfasser von den gebräuchlichen Ausdrucks-
formen und Bezeichnungen vielfach stark abweicht, ohne Erläuterungen seiner
Bezeichnungsweisen zu geben. So werden im vorstehenden die zenitalen Ent-
würfe den azimutalen als etwas Andersartiges gegenübergestellt, während bisher
die azimutalen als eine Unterabteilung der zenitalen galten und manchen Autoren
zenital == azimutal galt, Ein Zenitaler Merkatorentwurf wird in der Arbeit
nirgends erwähnt. Man wird aber aus der Zusammenfassung und dem Satz
auf S, 22: „Die Fliegerkarten von Europa nach Amerika, die in einem schief-
achsigen Merkatorentwurft dargestellt sind, könnte man durch Einführung zweier
längentreuer Parallelkreise maßstabsgetreuer machen“ (wo Parallelkreise offenbar
etwas anderes als Breitenkreise bedeuten) kombinieren, daß der Verfasser unter
„zenital“ hier einen echten Zylinderentwurf auf einem die Kugel schneidenden
Zylinder versteht, während ein echter Zylinderentwurf auf Berührsäule (mit nur
sinem maßtreuen Großkreis) nicht zenital heißen soll. An anderer Stelle aber
‘SS. 5) wird angegeben: „Zeichnet man die Azimutunterschiede im Hauptpunkt
nicht winkeltreu ein, sondern vergrößert oder verkleinert sie in gleichem Maße,
so ist die Karte im Hauptpunkt nicht mehr winkeltreu und azimutal, sondern
zenital, Die Kreise um den Hauptpunkt bleiben Verzerrungsgleichen.“ Offenbar
bedeutet hier zenital soviel wie „echt kegelig“ In meiner Arbeit „Ebene Kugel-
bilder“?), die Wedemeyer häufig zitiert, habe ich darauf hingewiesen, daß die
Bezeichnung „zenital“ durch den willkürlichen Gebrauch dieses Wortes im karten-
zundlichen Schrifttum stark entwertet ist, Es findet sich in folgenden Be-
deutungen: 1 = schiefachsig; 2 = Gegenteil von schiefachsig; 3 = fächerig
(d. h. alle Kugelkreise, die einen bevorzugten Kugelpunkt zum Mittelpunkt haben,
1) A. Wedemeyer, Winkeltreue Kartennetze in elementarer Behandlung, Aus dem AÄerhir
der Deutschen Seewarte, Bd, 55, Nr. 2. Berlin 1986. — % H. Maurer, Ebene Kugelbilder. Ein
Länn6sches System der Kartenentwürfe. Ergänzungsheft Nr. 221 zu Petermapns Mitteilungen, Gotha 1985,
Ann, d. Hydr. usw. 1086, Heft X,